Der Vater gehörte zu jenen Unglücklichen, die nach der Zerschlagung der Demokratie durch die Austrofaschisten unter Dollfuß aus Wien nach Moskau geflohen waren, um dort in die Fänge des Diktators Stalin zu geraten. Karl wandert in den Gulag und kommt erst 1953 nach Wien zurück. Mit einer russischen Frau und de facto heimatlos, denn auch Deutsch spricht er nur noch schlecht. Dafür findet er immer wieder junge Frauen, die ihn heiraten. Die beiden Töchter parkt er zwischendurch in Waisenheimen – das scheint nicht nur heute ziemlich grausam. Und diesen beiden Töchtern – Lara und Lund – widmet Ljuba Arnautović, 1954 in Kursk geboren und seit 1987 in Wien lebend, im dritten Teil ihrer autobiografisch geprägten Trilogie ihr Hauptaugenmerk.
Die Jüngere wächst in Wien auf, die Ältere gutbürgerlich in München. Die Jüngere wäre fast am Praterstrich verkommen, die Ältere wird von der Alternativszene geprägt. Sie bleiben aber mittels Briefe miteinander verbunden und finden als Erwachsene wieder zueinander. Arnautović erzählt eher nüchtern, wenngleich nicht chronologisch – die Ereignisse sprechen aber auch für sich. Nur ein schmaler Roman, aber trotzdem können wir die schwierigen Verhältnisse, in denen die Figuren – etwa auch Karls erste russische Frau in Wien – gut nachempfinden. Ein berührendes Buch.
Ljuba Arnautović: Erste Töchter
Zsolnay
160 Seiten
€ 24,50