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Mittwoch, Juli 9, 2025

Ein Sommernachtstraum

Barbara Kaudelka war… eben noch auf der Sommertheaterbühne, Shakespeares meisterhaftes Wort-Konfekt zart auf der Zunge zergehen lassend und mit der Dernière eine erfolgreiche Produktion feiernd. Szenenwechsel: die auf 16 Grad heruntergekühlte Lobby des „Golden Sunset Royal Crown Comfort Spa & Beach Palace All Inclusive Club II“. Na servas, der Name ist länger als mein Schlussmonolog. Es ist spätabends, vor mir steht eine Schlange von 20 Urlaubern, denen die dazu passende Reife ins Gesicht geschrieben steht. Eine Phalanx bleichbeiniger Briten in Fußball-Trikots, wenige Meter von der Hotelrezeption entfernt, kramt bereits Trucker-käppis mit Bierdosenhalter aus den Koffern.

Hä? Ich bin doch keine Pauschaltouri-Maus, hab ich mich beim Buchen echt so vertan? Naja, wie sagt der Lateiner – shit happens; also machen wir das Beste draus. Mein Hotelzimmer – Kategorie „Meerblick, wenn man sich aufs Waschbecken stellt und das linke Auge zukneift“ – ist in 15 Shades of Schaunsdogenauhin gehalten. Egal, beim Schlafen gehts. Am nächsten Morgen treffe ich am Frühstücksbuffet Cheryl und Doug aus Los Angeles, die mich wissen lassen, dass sie bereits beim Sonnenaufgangs-Yoga waren. In einer Stimmlage, die an auf Tafelfugen kratzende Fingernägel erinnert, Cheryl mümmelt Brunnenkresse und trinkt aus einem überdimensionalen Stanley-Cup mit der Aufschrift „Make Matcha Latte Great Again“.

Daneben die Brit Boys von gestern: rot wie Hummer im Steamer, weil sie Sonnencreme für eine Kontinentalverschwörung halten. Beim Käsebuffet kämpft sich ein schnurrbärtiger Franzose durch und brummelt: „Putain, zis is not Brie. Zis is a plastique insult to la France!“ Währenddessen umringen drei italienische Pärchen die Poolbar wie Götter auf Capri und posieren mit Sonnenbrillen im Haar und Campari in der Hand für Selfies. Wie machen die das bloß? Ich kann froh sein, wenn ich mich bis Mittag halbwegs entknittert habe! Helga und Jens aus Bielefeld haben schon vor Ankunft die besten Restaurantzeiten gebucht und die vordersten Liegen am Pool reserviert. Sie kommen mit Ausrüstung wie für die Besteigung des Nanga Parbat – Trinkflaschen mit Karabiner, Trekkinghüte, SPF 120 und XL-Handtücher.

Abends steht Karaoke am Hotelprogramm. Das Animationsteam hat spitzgekriegt, welchem Beruf ich fröne, und zerrt mich vors Mikro. Ich habe nichts vorbereitet, singen kommt nicht in die Tüte und so beginne ich panisch Shakespeare-Sonette zu rezitieren. Jemand grölt: „Kannst du auch Helene Fischer?“ Ich kontere mit einem Zitat aus Götz von Berlichingen. Eventuell flogen Pommes. Schwiegbeäugt wache ich auf. Daheim in Wien. Puh! Neben mir surrt der Laptop, das offene Buchungsfenster des Reisepakets lockt mit Superdeals im Superbombastic Pink Lotus Extra Spa Resort. Ich glaub, bei mir wirds heuer das Gänsehäufel.

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