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Ein Sommer wie damals – als ich unter Masern litt und das fröhliche Gebrüll der Buben und Mädchen im nahen Augarten die langweilige Stille meines Kinderzimmers durchbrach. Diesmal stoppte ein Trümmerbruch des linken Mittelfußknochens meine schönsten Sommernachtsträume.
Ich befand mich zwar im Paradies, im Garten Eden unseres Hauses im burgenländischen Nickelsdorf, konnte aber die Äpfel nicht erreichen. Die sündhaft guten Leckerbissen, auf die ich mich schon so gefreut habe, blieben mir in den letzten beiden Monaten verwehrt: Zuerst hinderte mich ein Spaltgips an Partys, Dinner und Open-Air-Besuche, dann ein „Walker“, ein medizinischer Riesenschuh.
Mir blieb lange Zeit nichts anderes übrig, als am Beckenrand unseres Pools zu sitzen und über den Hergang des Unfalls zu sinnieren. Es hatte sich dabei eigentlich um einfache Arbeiten, für die im Normalfall durchschnittliche Geschicklichkeit genügt, gehandelt. Wieso konnte das grundsätzlich Vermeidbare trotzdem passieren?
Ich fand nur fünf unterschwellige Gründe dafür: 1. Doch eher unterdurchschnittliche Geschicklichkeit. 2. Mit den Gedanken bei der Innenpolitik. 3. Der unbewusste Wunsch, dass mich meine Frau durch einen Unfall von jeder häuslichen Tätigkeit befreit. 4. Der bewusste Wunsch. 5. Völlige Nüchternheit. Zumindest Letzteres sollte mir nie wieder passieren, dachte ich in meiner unerträglichen Fadesse.
Die Gattin war schon seit ewigen Minuten mit dem Auto Richtung Supermarkt unterwegs, damit zumindest für mein leibliches Wohl gesorgt ist. Das seelische hungerte indes hoffnungslos nach ein wenig Spannung. Völlig vereinsamt begann ich schon die Blätter an unseren Bäumen zu zählen, wettete mit mir selbst, wann unser Pudel Tony wieder einmal bellen würde, diskutierte mit einer Nacktschnecke vor mir über die Vorteile des FKK-Badens, bemalte den Gips in Hundertwasser-Manier und fragte mich, ob nicht vielleicht doch ein rettender Engel im Paradies vorbeischauen würde.
Plötzlich öffnete sich die Gartentür. „Trink ma an Spritzer?“, lächelte Nachbar Hans. Natürlich. Es war die spirituelle Erfahrung meines bisherigen Lebens.

Robert Sommer
Der ehemalige Sportjournalist ist jetzt Bestsellerautor.