Mit seinem 2021 erschienenen Roman „Salonfähig“ über die Slim-fit-Politikerkaste erregte der 1994 geborene Wiener Autor und Slam-Poet Elias Hirschl erstmals größere Aufmerksamkeit. Sein neuer Roman „Content“ spielt in einer nahen Zukunft in einer ungenannten Stadt, die auf stillgelegten Kohlefeldern gebaut wurde. Die Protagonistin will einen Roman schreiben, braucht aber den Job in einer Content-Fabrik, wo Beiträge für soziale Plattformen auf dem laufenden Band hergestellt werden. Die 31-jährige Newcomerin muss Listen erfinden nach dem Motto: Die schlechtesten Promi-Trennungen aller Zeiten oder die Top 10 besten Tipps für ein glücklicheres Leben, immer mit dem Hinweis versehen (Die Nummer 7 wird dich zum Weinen/Lachen/Schmunzeln etcetera bringen). Andere schreddern daneben Handys mit Stabmixer oder Hydraulikpressen, während sie zwischendurch weiter davon träumen, in amerikanischen Late-Night-Shows aufzutreten.
Das mit dem Roman wird immer schwieriger, denn bald kann sich die Erzählerin auf nichts mehr konzentrieren, was mehr als 30 Sekunden Aufmerksamkeit erfordert. Zwischendurch passieren Unfälle, die an Monty-Pyton-Sketche erinnern. Eine Mitarbeiterin greift absichtlich in die Hydraulikpresse, weil sie die Taubheit rundherum nicht mehr erträgt, und ein Autor stürzt in ein plötzlich sich bildendes Riesenloch. Ein Lover – Sex ist allerdings so spannend geworden wie ein Klogang – gründet derweilen ein Start-up nach dem anderen. Nach einer privaten Feuerwehr, die kalte Getränke an Brandopfer und Schaulustige verkauft, gründet er ein Unternehmen, das Wasser abpumpt – da versinken allerdings bereits ganze Häuser in der vom Bergwerk ausgelösten Überschwemmung. Der Erzählerin entgleitet nach und nach ihr Leben. Selbst ihr Social-Media-ich wird gekapert – sie muss zusehen, wie sie heiratet und ihre Eltern mit ihr glücklich werden. Irgendwann hat die Heldin dann eine KI so konfiguriert, dass ihr das Listenschreiben abgenommen wird und sie gar nicht mehr ins Büro kommen braucht.
Elias Hirschl schafft in „Content“ eine Welt, die von der unseren vielleicht nur noch um einen Dreh entfernt ist. Das ist satirisch witzig, aber auch gespenstisch. Denn die Millionen Videos auf den Plattformen müssen ja tatsächlich irgendwo hergestellt werden. Und wer mit der U-Bahn fährt, sieht schon heute kaum mehr Menschen, die nicht auf ihr Smartphone starren. Die Wirklichkeit ringsum ist längst out.
Elias Hirschl: Content
Zsolnay
224 Seiten
€ 24,50