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Donnerstag, November 14, 2024

Stadtkünstler und Landkünstler – Christian Eisenberger

Bild: ©Stefan Burghart | Text: Helmut Schneider

Christian Eisenberger lässt sich als Künstler kaum einordnen – so vielseitig, ja überbordend ist sein Werk. Ein Besuch in seinem riesigen Atelier am Alsergrund.

Bekannt wurde Christian Eisenberger durch seine großen Kartonfiguren, die Bilder von Bettlern und Outsidern zeigten, später von Persönlichkeiten wie Mahatma Gandhi und Che Guevara. Mehr als 9.000 Stück platzierte er auf der Straße und im öffentlichen Raum, wo sie natürlich bald verschwanden. Den Karton für die Figuren fand er in Altpapiercontainern. Da war Eisenberger noch in seinen 20ern. Parallel ging er aber dazu über, in der Natur zu gestalten. Es war eben der Trieb, draußen zu sein. Bei Wald-, Wiesen-, Bach- und Schlucht-Begehungen baute er fragile Objekte – oft mit Schrift und Botschaft, die der nächste Windhauch oder der nächste Regen wieder verschwinden ließen. Eine höchst ephemere Kunst. Was übrig bleibt, sind die Fotos.
Viele Fotos finden sich auf seiner Website: christianeisenberger.com

Das Atelier ist von oben bis unten angeräumt. – ©Stefan Burghart
Das Atelier ist von oben bis unten angeräumt. – ©Stefan Burghart

Mittlerweile kennt in Österreichs Kunstszene jeder seinen Namen. Sogar ein Film („Eisenberger – Kunst muss schön sein, sagt der Frosch zur Fliege“, Mira Film) wurde über ihn gedreht. Christian Eisenberger malt, macht Installationen und Performances und ist natürlich viel in der Natur unterwegs. Er wird von der renommierten Galerie Krinzinger vertreten.

Atelier am Alsergrund

Wer zum ersten Mal das Atelier von Christian Eisenberger in einem Keller im 9. Bezirk besucht, wird überfordert sein: von den Dimensionen, aber auch vom Inhalt dieses ein halbes Fußballfeld großen Raumes. Bis auf den letzten Winkel ist alles angeräumt mit Fundstücken und Arbeiten des Künstlers. Christian Eisenberger braucht das Chaos für seinen kreativen Prozess. Momentan sind fast alle Durchgänge mit einem aktuellen Projekt belegt. Er kocht Tannenzapfen aus und bringt die Farbe auf Papier. Jedes Blatt ist anders gefärbt und hat eine andere Form.

vormagazin: Wie sind Sie zur Kunst gekommen? 

Christian Eisenberger: Ich war immer schon ein introvertierter Typ. Und wenn man am Bauernhof groß wird, gibt es total viele kreative Möglichkeiten. Man ist auch viel alleine. Wir hatten zwei Bäche, die durch unser Grundstück geflossen sind, und da war ich oft anzutreffen. Da beobachtet man die Natur, das Fließende, die Geräusche des Bachs, und man baut wie jedes Kind Staudämme. Gezeichnet habe ich aber auch schon immer. Irgendwann habe ich die ersten Kunstbücher in die Hände gekriegt – darunter war der M. C. Escher. Ich war total fasziniert von seinen Welten – da war ich so 15, 16. Dann habe ich aber eine Schlosserlehre gemacht, denn am Land heißt es ja, man muss irgendetwas Praktisches machen – vor allem, wenn man in der Schule nicht der Beste ist. Anders gesagt, man soll einfach hackeln gehen. 

Der Begriff „Land Art“ gefällt Eisenberger nicht. Lieber würde er es als „Nostalgie Impressionalismus“ bezeichnen. – ©zVg

Das ist Ihnen sicher später zugutegekommen …

Genau, handwerkliche Fähigkeiten sind nie verkehrt. Man bekommt auch eine Hochachtung gegenüber der Arbeit bzw. den handwerklichen Fähigkeiten. Nach diesen vier Jahren wollte ich dennoch etwas anderes probieren. Die Kunstwelt war mir natürlich fremd, aber da gab es die Ortweinschule in Graz, wo ich zwei Jahre Meisterklasse Malerei und Bildhauerei studiert habe. Dann bin ich nach Wien in die Klasse von Brigitte Kowanz an die Angewandte. Zwei Jahre später hatte ich das erste Atelier in Wien. Ich habe auch nicht darauf gewartet, dass ich eine Ausstellung bekomme, sondern habe sehr viel im öffentlichen Raum gemacht. Denn wortwörtlich heißt Ausstellung, man stellt sich aus, nämlich seine Einstellung. Aber eine Einstellung hatte ich ja schon. Ich habe das anonym gemacht – also meine Kartonfiguren –, weil ich der Meinung war und bin, dass das Kunstwerk ohne den Namen des Künstlers funktionieren muss. Heute leben ja viele vom Namedropping, wir leben im Logo-Zeitalter. So sind in zehn Jahren 9.975 Pappfiguren entstanden – das war eine sehr freie Zeit für mich. Banksy hat zur selben Zeit angefangen, aber er hat die Anonymität bis heute durchgezogen. Bei mir hat die Szene nach langer Zeit mitbekommen, wer ich bin. Mir waren ein paar Leute auf den Fersen, und ich habe die Anonymität nicht so stringent verfolgt wie Banksy.

Aber war diese Zeit nicht auch finanziell sehr schwierig für Sie? 

Ich brauchte nicht viel. Wenn man viel Geld hat, braucht man viel, und wenn man wenig Geld hat, geht es auch mit wenig. Vor allem hatte ich ja eine enorme Freiheit.

Diese Pappfiguren sind ja alle verschwunden, oder? 

90 Prozent sind sicher weg, aber es haben dann auch Menschen begonnen, sie zu sammeln. Ich habe das ja in jeder Stadt, wo ich war, gemacht. 

Dann haben Sie begonnen, in der Natur zu arbeiten?

Nein, das habe ich immer schon gemacht. Weil es da eine unheimliche Ruhe gibt, eine Beobachtung. Es gab ja Phasen in der Kunstgeschichte, als noch kein Fotoapparat zur Verfügung stand, da betrieb man Landschaftsmalerei. Ab den 1960er Jahren entwickelte sich die Land Art, wo man beobachtet und gestaltet hat. 

©zVg

Wo arbeiten Sie lieber? 

Ich bin eben Stadtkünstler und Landkünstler. Am Land nehme ich nur die Materialien vor Ort. Inzwischen vermischt es sich aber etwas. Ich mache jetzt auch Bilder mit Zapfen und Gesichter, die ich im Atelier gemalt habe, wandern raus. Die Zapfen finde ich ziemlich brutal, weil sie so belanglos am Boden herumliegen. Man steigt einfach über sie hinweg. Wenn man sie einzeln betrachtet, bekommen sie eine eigene Atmosphäre, eine eigene Aura. Je mehr ich mit ihnen arbeite, desto mehr verändert sich die Qualität des Papiers. Die Norm von A3 oder A4 wird gebrochen. Und in Masse zu agieren bringt auch eine zusätzliche Qualität. Ein Baum produziert ja auch mehr Samen und mehr Zapfen.

Wie kommen Sie zu Ihren Ideen?

Indem ich den Alltag ausschalte und genau beobachte. So generell kann ich das aber nicht sagen. Manches ergibt sich durch den Lauf der Dinge. Gute Freunde sagen, bei mir ergibt sich viel durch das Angreifen. Was würde ich aber machen, wenn ich keine Hände mehr hätte? Ich hatte einen Tennisarm, weil ich mich überhoben habe, und das dauerte ziemlich lange. Was habe ich da gemacht? Es gibt eben mehr Kopfkino, und ich war auf der Suche nach -anderen Ausdrucksformen. Aber mit Zwang geht in Sachen Kreativität gar nichts. Wenn die Pflicht erfüllt ist, beginnt die Kür – und das ist die Kunst. Ich arbeite oft das ab, was ich mir vorgestellt habe, und dann gibt es einen Zusatz. Und der Zusatz ist oft interessanter. Man will sich selber übertreffen und überraschen. Man muss Hunger verspüren. Das ist vielleicht aus meiner familiären Situation entstanden, aber die Dinge passieren eben nicht von selbst. 

©Stefan Burghart

Jetzt wird viel über KI in der Kunst gesprochen, aber eine KI kann ja nie einen Hunger haben … 

KI ist einfach gesättigt. 

Und KI ist das Gegenteil von Kreativität – Dinge nehmen, die es schon gibt, und neu mixen … 

Der Hase schlägt die Kurve, und für die KI ist nicht nachvollziehbar, warum der Hase genau in diesem Moment diese Kurve schlägt – die KI läuft ins Leere. KI mag toll sein für technische Probleme, aber bei Menschlichem, Wärmendem, Sympathischem ist die KI überfordert. Dekor kann von der KI hergestellt werden, aber Kunst ist etwas völlig anderes.

Eine KI hat keinen Körper, sie kann auch nicht leiden … 

Ja, man sollte einmal versuchen, eine KI leiden zu lassen – im Wissen ihrer eigenen Vergänglichkeit. Oder sie sollte sich einmal um Sympathiewerte sorgen – denn was will der Mensch letztlich: Anerkennung.


Christian Eisenberger, geboren 1978, ist auf einem Bauernhof in Semriach nahe Graz aufgewachsen und studierte in der Klasse von Brigitte Kowanz an der Universität für angewandte Kunst in Wien.


INFO
christianeisenberger.com

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