Bild: ©Carina Antl
Barbara Kaudelka macht sich aus dem Sternenstaub.
Ein Spektakel am Firmament: Der Himmelskörper C/2022 E3 (ZTF) – von den Medien „Neandertaler-Komet“ getauft – passierte jüngst nach 50.000 Jahren erneut die Erde. Der Spitzname spielt darauf an, dass bei seiner letzten Stippvisite noch die Neandertaler den Planeten bevölkerten. Bei dem Gedanken macht sich ein still-ehrwürdiges Gefühl in mir breit. Und im nächsten Moment tut mein Hirn, was es am besten kann: Gedankenfasching! Angenommen, der Komet wäre ein interstellares Kreuzfahrtschiff, unterwegs auf einer mies gebuchten Route des Anbieters. Im Prospekt wirbt man mit: Ko(s)mische Kreaturen – erleben Sie die schrägsten Spezies jenseits der Warp-Grenze! Stellen wir uns vor, ein kleines grünes Männchen, ein ambitionierter Klassenlehrer aus einer fernen Galaxis, hat seinen Mini-Aliens diese Schulexkursion aufs Aug gedrückt. Vielleicht ist er selbst als Knirps vor 50.000 Jahren dazu vergattert worden. Damals wurden ihm als Klassenstreber die Antennenohren lang gezogen, das Jausenbrot weggemampft und die Untergatt’n hochgezogen, aber die haarigen Zweibeiner dort unten auf der Erdoberfläche faszinierten ihn.
Nun, 50.000 Erdenjahre später, zeigt er seinen Schülern, wie sich die Erde und ihre Bewohner weiterentwickelt haben. Wie könnte das Gespräch im fliegenden Klassenzimmer aussehen? Der Lehrer beginnt den Vortrag: „Zu eurer Rechten seht ihr den Planeten Erde, dominante Spezies: der Mensch. Population 8 Milliarden, Tendenz steigend. Seit meinem letzten Besuch hat die Menschheit eine enorme Entwicklung durchlaufen – Mittelalter, Renaissance, industrielle Revolution, Moderne. Die Evolution führte sie bis ins Zeitalter der Hochtechnologie, der künstlichen Intelligenz, der Teilchenbeschleuniger und Präzisionsmedizin. Sie sind sogar ins All vorgestoßen; Forschung am Mars, der Venus und ihrem direkten Trabanten – da hinten, dem Mond.“
UFO-Schüler 1 hebt den Tentakel: „Herr Fessa, stimmt das, dass die Astronauten dort 200 Tonnen Müll liegen lassen ham? 70 Raumschiffe, Plastikstiefel und sogar Sackln mit Lulu?“ UFO-Schüler 2: „Wääh!“ Der Lehrer nickt verstohlen, fährt fort: „Hochkulturen bauten Pyramiden, schufen Musik und Poesie …“ UFO-Schüler 3 gurgelt durch eine seiner drei Nasen: „Bitte, meine Tante is’ Stewardess am Halley’schen Kometen. Die erzählt, dass die da unten Sauerstoff zum Atmen brauchen – den produzieren aber die Wälder, die sie abholzen und das Phytoplankton im Meer, das sie mit Dreck vollschütten!“
UFO-Schüler 1: „Ha, fetzndeppert!“ Seufzen des Lehrkörpers, gefolgt von Margaritas am Bingo-Deck. P.S.: Die Reederei der „Ko(s)mische Kreaturen“-Cruises überlegt, die Route aus dem Programm zu nehmen. Ob die Bahn des „Neandertaler-Kometen“ nochmal an der Erde vorbeiführt, steht noch in den Sternen. Ist wahrscheinlich eh besser, wer weiß, welchen Namen man ihm dann verpassen würde.
Barbara Kaudelka ist Schauspielerin, Tonstudiosprecherin, Medienmensch und vormagazin-Kolumnistin.
Bild: ©Michael Taborsky