©Carina Antl
Die Luft flirrt, die Schulen sind verwaist und die heimische Politik hat das Parlament gegen den Palmenstrand getauscht. Es ist da: das Sommerloch.
Das sonst so stete Lüfterl im medialen Blätterwald verebbt jedes Jahr zur hochsommerlichen Flaute, die die berichterstattende Zunft inlandsthematisch ein wenig auf Diät setzt. Heuer ist der Content-Wind nicht ganz aus den Segeln, König Fußball macht mit der EURO 2024 immerhin bis Mitte Juli Schlagzeilen. Europa- und Weltmeisterschaften haben etwas gemeinsam mit dem Sommerloch: Sie holen sich animalische Verstärkung. Wenn es darum geht vorauszusagen, welche Mannschaft erfolgreicher das Runde in das Eckige bugsiert, werden medienwirksam tierische Orakel zu Rate gezogen. Wir erinnern uns an „Paul“, den Kraken – der Godfather of Tierorakel wurde für seine präzisen Prognosen im Rahmen der EM 2008 und der WM 2010 als Sport-Prophet weltberühmt. Ihm folgten Elefantendame „Nelly“, Schildkröte „Momario“, Elch „Konstantin“ oder Papagei „Lorenzo“.
Aktuell zur EM 2024 orakeln in Österreich Schmalstreifenmungo-Weibchen „Frau Mungo“ im Haus des Meeres und Stier „Sammy“ am Gut Aiderbichl in Salzburg, Unterstützung im benachbarten Deutschland finden sie durch Tapir „Theo“, der im Zoo von Münster im Ruf steht, bei Spieltipps zum runden Leder den Rüssel vorn zu haben. Kurzer Einwurf von der Seitenlinie: Sich bei realen Sportwetten auf solch faunale Prophezeiungen zu verlassen, ist … nun ja, ein bisserl, wie die Katz’ im Sack kaufen. Zwar findet auch ein blindes Hendl mal ein Korn, doch schon manch schlauer Fuchs ist im Sturzflug auf den Hund gekommen. Und es wäre doch schade, müsste man am Ende gar Federn lassen.
Zeitungsenten sind übrigens auch im Sommerloch verpönt. Ist doch mal Saure-Gurken-Zeit, heißt es „Manege frei!“ für die Sommerloch-Tier-Meldungen. Ein beliebter Klassiker sind Wasserreptilien: Da gab es „Florian“, den Donaukanal-Kaiman, oder Kärnten-Kroko „Sachsi“, nach dem 2012 in der Drau gefahndet wurde. 2020 erheiterte ein Schnappschuss vom Grunewalder Teufelssee die Gemüter, der ein paar Wildschweine dabei zeigte, wie sie im FKK-Bereich des Naturgewässers einer Gruppe Nudisten das Gewand mopsten. Das Lachen blieb den Wiener*innen kurz im Halse stecken, als im Sommer 2021 ein Python in der Schüssel eines Floridsdorfer Häusls schwamm, wo doch erst wenige Tage zuvor ein Unglücksrabe in Graz beim morgendlichen Toilettengang von einer Schlange in die Kronjuwelen gezwickt wurde. Ein tierisches Sommermärchen mit Happy End bescherte uns die ausgebüxte Kuh „Yvonne“, die ihrem Schlachthof-Schicksal entrann, indem sie ganze 98 Tage lang jeglichen Einfangversuchen trotzte. Yvonne landete schließlich auf einem Gnadenhof, wo sie ein zurückgezogenes Leben abseits des Medienrummels führte. Öffentlichen Auftritt gab es nur noch einen: als Fußball-EM-Orakel 2012.
Barbara Kaudelka ist Schauspielerin, Tonstudiosprecherin, Medienmensch und vormagazin-Kolumnistin.
Bild: ©Michael Taborsky