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Donnerstag, Juli 3, 2025

Vom Würstelstand bis zum Kaffeehaus

Gutes Team. Seit mehr als 20 Jahren engagieren sich Martina Haslinger-Spitzer und Alexandra Psichos-Prankl in der Fachgruppe Gastronomie in der Wirtschaftskammer Wien. Sie wollen das Image der Branche verbessert. Beitragsbild: © Elisabeth Lechner

Martina Haslinger und Alexandra Psichos wollen in der Fachgruppe Gastronomie in der Wirtschaftskammer Wien mutig und engagiert die Interessen aller Gastronom*innen vertreten.

Durch die Zusammenlegung der Fachgruppen Gastronomie & Kaffeehäuser in der Wirtschaftskammer Wien vertritt die Fachgruppe Gastronomie nun die vielfältigen Interessen von rund 9.000 sehr unterschiedlichen Mitgliedsbetrieben, vom Nobelrestaurant über die Imbissstube bis zum Eissalon und dem Kaffeehaus. Der neue Obmann Thomas Peschta setzt auf eine offene Zusammenarbeit mit allen Fraktionen, „um im Interesse unserer Mitglieder tragfähige und praxisnahe Lösungen zu entwickeln“. An seiner Seite stehen Martina Haslinger-Spitzer und Alexandra Psichos-Prankl. Bei beiden ist die Gastronomie tief in der Familie verwurzelt und sie haben früh die Leidenschaft für das Gastgewerbe gespürt. Die Herausforderungen der vergangenen Jahre waren bereits groß: Rauchverbot, die Covid-19-Pandemie und die strengeren Promillegrenzen haben das Ausgehverhalten verändert. Die beiden erfahrenen Gastronominnen wollen Veränderungen aktiv mitgestalten und faire Rahmenbedingungen für die Wiener Gastronomie schaffen, die für alle etwas bringen.

vormagazin: Was sind Ihre wichtigsten Ziele?

Martina Haslinger: Wir wollen verhindern, dass ein Rauchverbot in Schanigärten beschlossen wird. Ich denke, man kann das mit gesundem Menschenverstand regeln.

Worum genau geht es bei der Trinkgeld-Diskussion?

Haslinger: Immer mehr Menschen bezahlen mit Karte und nicht mit Bargeld. Bisher mussten Unternehmer*innen für die Sozialversicherungsbeiträge eine Pauschale bezahlen, die geschätzt wurde. Es ist ein Tabu, die Kellner*innen zu fragen, wie viel Trinkgeld sie bekommen. Viele Betriebe haben jetzt aufgrund der Kreditkartenabrechnungen inklusive Trinkgeld mit hohen Nachzahlungen zu kämpfen.

Alexandra Psichos: Wir sollten hier auch ein Bewusstsein bei unseren Gästen schaffen, dass sie sich Bargeld einstecken. Das Trinkgeld wird ja zum Beispiel auch mit dem Küchenpersonal geteilt. Wir brauchen hier österreichweite Lösungen mit den Sozialversicherungen und kein Bürokratiemonster.

Wie kann die Lehrlingsausbildung attraktiver werden?

Psichos: Wir brauchen die Lehre 2.0, der Lehrberuf gehört evaluiert und muss viel schneller an neue Anforderungen angepasst werden. Technologische und gesellschaftliche Entwicklungen müssen in die Lehrpläne aufgenommen werden. Ein weiterer zentraler Punkt ist die Lehre als zweiter Bildungsweg, wo auch Quereinsteiger eine Chance erhalten sollen. Die Lehrlingsentschädigungen sind zwar angepasst und erhöht worden, aber es fehlt noch immer sehr viel zu anderen Branchen. Wir wollen offensiver auf die Jugend zugehen, die Gastronomie ist nicht leicht, aber ich bin mit Herz und Seele Gastronomin und lebe und liebe diesen Beruf.

Haslinger: Man braucht Empathie, manchmal sind wir auch Psychologen für unsere Gäste, wenn jemand die Arbeit verloren hat oder krank oder einsam ist. Wir sind wie das zweite Wohnzimmer für unsere Gäste, wo sie sich wohlfühlen sollen.

Die Unternehmen in der Fachgruppe sind sehr unterschiedlich. Von welchen Maßnahmen können alle profitieren?

Haslinger: Vor 15 Jahren haben wir mit Hygiene-Schulungen, Ersthelfer- und Erste-Hilfe-Kursen begonnen. Jetzt sind die Allergen-Informationen dazu gekommen. Diese Schulungen sind enorm wichtig, weil nur die Qualität, die beim Gast wirklich ankommt, zählt. Wir bieten aber auch Kalkulationsworkshops und Kurse zur Digitalisierung, denn unsere Betriebe dürfen sich Social Media nicht verschließen.

Ist am sogenannten Beisl-Sterben etwas dran?

Haslinger: Man muss sich immer wieder neu erfinden, um in der Gastronomie bleiben zu können. Wenn wir uns die Lokalszene in Wien ansehen, da hat sich wirklich sehr viel getan. Das Beisl ums Eck besteht zu Recht, aber auch Lokale für Junge oder gehobene Gastronomie.

„Rauchen im Gastgarten wird der Markt regeln. Ich bin gegen Verbote. Freiwilligkeit ist besser!“

Martina Haslinger-Spitzer

Was sind die aktuellen Herausforderungen?

Haslinger: Die Gastronomie kämpft seit Jahren mit den gleichen strukturellen Problemen: Der Fachkräftemangel ist enorm, die Betriebskosten steigen mit den hohen Energiepreisen und den Kosten für den Wareneinsatz. Auch die Löhne und die Inflation sind gestiegen, da gibt es wirtschaftlichen Kostendruck für alle. Und wenn du da nicht dahinter bist, egal ob als kleiner oder großer Betrieb, dann geht sich das irgendwann nicht mehr aus.

Psichos: Wir müssen auch noch einiges tun, um die Arbeitsbedingungen, vor allem für weibliches Personal, zu verbessern. Die Zeiten, wo Frauen mit Diskriminierung und sexueller Belästigung konfrontiert sind, müssen endgültig vorbei sein.

Blicken Sie optimistisch in die Zukunft?

Haslinger: Die Gastronomie ist eine lebendige und wandelbare Branche, das haben wir in der Vergangenheit bewiesen. Sie verdient es, mit fairen Rahmenbedingungen unterstützt zu werden. Sie eröffnet unendlich viele Möglichkeiten, und die Expertise, die man in Österreich lernt, ist auf der ganzen Welt gefragt.

Psichos: Das Tolle ist, dass man unmittelbar Feedback bekommt, etwas, das nicht in vielen Berufen der Fall ist. Unsere Vision ist auf jeden Fall größer als die Angst!

„Wir brauchen beim Thema sexuelle Belästigung noch mehr Sensibilisierung und Aufklärungsarbeit“

Alexandra Psichos-Prankl

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