Text: Mareike Boysen
Sie kommen aus Estland, Spanien und Schweden, haben sich teilweise drei Wochen Urlaub genommen, organisieren sich ihre Unterkünfte selbst und nehmen auch sonst jedes Erfordernis auf sich. All das, weil sie unbedingt den Mai in Wien verbringen und Teil einer Gruppe sein wollen, die das Großevent Eurovision Song Contest erst möglich macht. ESC-Chef Jon Ola Sand nennt die Volunteers das „Rückgrat“ des Bewerbs – weil sie vorleben, was die Veranstaltung zelebriert: Begeisterung für die Sache und eine heterogene und harmonische europäische Gemeinschaft.
Verbunden. Was nämlich alle 800 Volunteers nach Einschätzung der Verantwortlichen Michaela Mild vereint, ist der wesentlichste Aspekt ihrer Motivation: das Gemeinschaftsgefühl. Wie entsteht das in einer so großen Gruppe? Beim Kick-o f-Event am 8. Mai bekommen sie ausgewählte Crew-Kleidung und -Schuhe überreicht, zur Vernetzung gibt es für jeden ein kostenloses Smartphone, eine eigene Facebook-Seite und eine geschlossene Homepage sind eingerichtet worden. Am 9. Mai treffen sich die 800 dann in der Halle F zum Teambuilding mit der Gruppe „Drum Café“, wobei ein gemeinsamer Rhythmus gefunden werden soll. Übrigens ist der Begriff „Volunteer“ nicht mit dem in Österreich gebräuchlichen „Volontär“, also einem Journalisten in Ausbildung, zu verwechseln: Volunteers sind Freiwillige, die für einen von ihnen unterstützten Zweck ihr Engagement und ihre Begeisterung zur Verfügung stellen.
Auswahl. Beworben haben sich für die diesjährige Veranstaltung des weltweit größten TV-Unterhaltungsevents insgesamt 1508 EuropäerInnen aus 41 Nationen. Einen Lebenslauf mussten alle ebenso einreichen wie ein ausführliches Motivationsschreiben. Die 1200 österreichischen BewerberInnen bekamen anschließend die Chance, sich persönlich vorzustellen. Dafür wurden vom Interviewteam auf einer Castingtour durch das ganze Land knapp 2000 km zurückgelegt. Einige Voraussetzungen, wie zeitliche Verfügbarkeit und fließende Deutschund Englischkenntnisse, waren in der Ausschreibung formuliert worden. Letztere waren für die Möglichkeit zur Verständigung vor Ort als notwendig erachtet worden. Für ein paar ältere Damen wurde aber doch eine Ausnahme gemacht und die Position der im Center beschäftigten „Volunteer- Mamis“ eingeführt. Leicht bevorzugt wurden auch manche Langzeitarbeitslose, denen das Team ein positives Signal geben wollte.
Heterogen. Die ausgewählten 800 Volunteers kommen aus 25 europäischen Ländern, die Liste reicht von Kroatien über Litauen, Armenien, Russland bis Großbritannien und Norwegen. Gemeinsam werden über 50 verschiedene Sprachen abgedeckt, darunter auch Gebärdensprache. Die Altersspanne reicht von 18 bis 75, StudentInnen sind ebenso dabei wie Vollzeitbeschäftigte und PensionistInnen. Natürlich finden sich hier auch verschiedenste Persönlichkeiten. Ihre gemeinsame Aufgabe: zu repräsentieren. Executive Producer Edgar Böhm bezeichnet sie als „ Visitenkarte“ des Wettbewerbs und als stark mitverantwortlich dafür, wie die Welt Österreich wahrnehmen wird. Auch werden die Volunteers Experten dafür sein, was es bedeutet, dass der ESC in diesem Jahr zum ersten Mal als „Green Event“ veranstaltet wird. Das Österreichische Umweltzeichen wurde verliehen, da man hohe Standards im Bereich Klima- und Umweltfreundlichkeit einhält.
Brückenbauer. Die Zusage kommt für die 800 Volunteers im Paket. Ein T-Shirt mit der Aufschrift „Brückenbauer“ wird beiliegen, übersetzt in 36 weitere Sprachen. Dieses Motto, „Building Bridges“, wird sich in den kommenden Wochen in das Wiener Stadtbild einfügen mit gebrandeten Taxis, Bussen und einer Straßenbahn. Selbst eine Lok der ÖBB und ein Flugzeug der AUA unterstützen grafisch die Idee der Kultur- und Nationenverständigung. Apropos: Der Slogan „City of Vienna – 12 Points“ wird auf diversen öffentlichen Flächen zu lesen sein. Von einer Titelverteidigung Österreichs traut sich hierzulande zwar noch kaum jemand zu träumen. Für die Organisation des Volunteer-Programms gelten aber längst die beiden magischen Sätze aus dem Bewerb des vergangenen Jahres: „It’s no secret anymore, Austria is in the lead“. Oder auf Deutsch: „Es ist kein Geheimnis mehr, Österreich führt“.