Eine Geschichte, die nachdenklich macht: Der Ich-Erzähler Johann berichtet von seiner Studentenzeit in Marburg in den 70er-Jahren, als er plötzlich von einer Kollegin – Christiane –, die er kaum kennt und die ihn auch nicht interessiert, offenbart bekommt, dass sie ihn liebt.

Das hätte schnell geklärt sein können, doch Johann ist ein Unentschlossener. Als er sie später wiedersieht, werden sie doch in irgendeiner Weise ein Paar, allerdings ein höchst ungewöhnliches. Denn Christiane ist seit Kindergartenzeit gleichzeitig mit Tommie zusammen, der Christianes Entscheidung gegen ihn aber zu akzeptiere scheint. Bloß zieht Tommie dann doch bei ihnen ein. Sowohl Christiane als auch Tommie scheinen emotional gestört und eines nachts flieht Johann ohne Ziel als er die beiden auffordert, miteinander zu schlafen und sie das auch tun. In Belgien schläft er in einem Strandkorb, wo er von einem Mann überfallen wird. Johann kann sich wehren und tötet den bereits Wehrlosen. Damit schließt sich ein Kreis, denn Johann hatte seinem Vater auf die Frage, was denn sein Wunsch an das Leben wäre, antworten wollen: Ich möchte einmal einen Menschen töten… Die Pointe will ich aber natürlich nicht verraten.
Michael Köhlmeier ist meiner Meinung nach am besten bei kürzeren Erzählungen. „Die Verdorbenen“ könnte gut auch als Novelle bezeichnet werden. Eine Novelle ist, nach Goethe, „eine sich ereignete unerhörte Begebenheit“. Das passt hier ganz gut, aber Roman verkauft sich wohl besser. In dieser Geschichte scheint kein Satz zu viel und keiner zu wenig. Und natürlich geht es um die ganz großen Themen: Was ist das Böse, was ist ein Leben ohne Liebe wert und was braucht es, um böse zu werden? Das alles entwickelt eine Zwanghaftigkeit wie eine antike Tragödie.

Michael Köhlmeier: Die Verdorbenen
Hanser Literaturverlage, 160 Seiten, € 24,50