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Donnerstag, April 18, 2024

HospitalityHelps: Wir müssen helfen

Bild: ©Stefan Diesner

Die Initiative #HospitalityHelps hat seit Kriegsbeginn in der Ukraine für Vertriebene über 150.000 Übernachtungen ermöglicht. Mitinitiatorin Sofia Widmann stellt ihr Unternehmen hintan, um zu helfen. Ein Interview von Ursula Scheidl.

Selten habe ich ein so emotionales Interview geführt – Gänsehaut und Tränen auf beiden Seiten inklusive. Der barbarische Krieg in der Ukraine trifft auch Frauen und Kinder, Vergewaltigungen mit den schlimmsten Verletzungen an Körper und Seele sind keine Seltenheit. Sofia Widmann ist ukrainische Staatsbürgerin und lebt mit ihrem Mann Michael, CEO der PKF hospitality group, seit 2014 in Wien. Die 30-Jährige erzählt schonungslos von den Nöten und Gräueltaten in ihrem Geburtsland, was der sonst so toughen Gründerin und CEO von Museum Booster das Wasser in die Augen treibt. 

vormagazin: Wie kam es zur Initiative #HopitalityHelps? 

Sofia Widmann: Als der Krieg anfing, hat mich das natürlich sehr stark emotional erwischt. Ich habe meine 82-jährige Oma, die in Kiew lebt, und sehr viele Freunde in der Ukraine. Bald nach Kriegsbeginn hat mich eine Freundin angerufen, sie setzte sich mit ihren beiden kleinen Kindern ins Auto und wollte zu mir nach Wien kommen. 72 -Stunden war sie ohne Schlaf unterwegs. Vor Budapest war sie zu erschöpft, um weiterzufahren. Mein Mann hat -seinen Freund, den Hoteldirektor des Hilton in Budapest, kontaktiert, der ihr kostenlos ein Hotelzimmer zur Verfügung stellte. Die Kinder waren unglaublich glücklich, sie konnten duschen, normal essen und gut schlafen. Michael hat dann einen Aufruf auf LinkedIn gemacht. Der Post zu #HospitalityHelps war der erste, den er je auf einem Social-Media-Kanal veröffentlicht hat. Er hat mehr als 10.000 Likes und eine Million Views erhalten. Das war großartig. Die Initiative hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet! Ukrainer aus der ganzen Welt arbeiten an #HospitalityHelps. Sie kennen Menschen, die ihre Häuser verlassen mussten, die in Kellern ohne Essen und Medikamente gefangen sind. Während Väter, Brüder und Söhne unter Einsatz ihres Lebens die Städte schützen, kümmern sich Mütter, Ehefrauen und Schwestern um die Kinder und brauchen Schutz. Das ist für uns alle auf einer persönlichen Ebene verheerend. Wir alle verspüren den Drang zu helfen, und die Bereitstellung von Unterkünften für Menschen auf der Flucht ist unser kleiner Beitrag. 

Welche Menschen verlassen jetzt die Ukraine? Frauen und Kinder?

Großteils. In der Ukraine gibt es im Vergleich zu Österreich keine große Mittelschicht, und es gibt einen kleinen Prozentsatz von sehr reichen Menschen, die sich ihre Ausreise selbst finanzieren. Sehr viele Familien bleiben immer noch in der Westukraine. Sie sind patriotisch eingestellt und wollen die Ukraine wieder aufbauen. Es gibt aber sehr viele arme Menschen. Diejenigen, die Englisch sprechen, verlassen ihre Heimat, sie buchen auch über #HospitalityHelps.

Wie unterscheidet sich diese Initiative von anderen Hilfsangeboten? 

Menschen, die ein normales Leben hatten, sind jetzt Flüchtlinge und haben gar nichts mehr. Nach einer langen Reise kommen sie an und müssen gleich bei der Registrierung in der Schlange stehen – mit den vielen Menschen, die weinen. Das ist emotional unglaublich schwierig. Wir verschaffen ihnen etwas Zeit, um den Schock zu überwinden, und kümmern uns um sie. Es ist bewundernswert, wie die Hotels unterstützen, in den Zoku-Hotels in Wien gibt man den Menschen ein Essenspaket, damit sie selbst kochen -können. Ins Hilton in München bringt man Kleidung und Spielzeug.

Wie verkraften Sie persönlich die Situation?

Ich war schon mehrfach an meiner emotionalen Grenze. In den ersten drei Wochen war es mein Hauptjob, jetzt halte ich es auch psychisch nicht mehr aus – mit den ganzen persönlichen Geschichten. Wir haben heute ein Team aus zehn Freiwilligen, die mit den Menschen ständig kommunizieren und helfen, sie zu navigieren. 

Was können wir beitragen, um der Ukraine zu helfen?

Ich würde einerseits versuchen, die Handlungsspielräume der russischen Regierung durch verschärfte Sanktionen weiter einzuschränken und die Ukraine in anderen Bereichen weiterhin unterstützen, wie das bisher gemacht wird. Viele sagen, man muss sich aktiver in den Krieg involvieren, aber ich persönlich will keinen Dritten Weltkrieg haben.

Angenommen, Sie hätten einen Wunsch frei …

Dann würde ich mir wünschen, dass das Leiden in der Ukraine endet. Für diejenigen, die ihre Familienmitglieder und ihre Gesundheit verloren haben, dass es für sie bald einen Ausweg gibt. Krieg ist immer schrecklich, aber ich glaube fest daran, dass sich die Situation zum Besseren ändern kann.


Die Organisation

#HospitalityHelps wurde von einer Gruppe von Organisationen aus dem Gastgewerbe ins Leben gerufen & ist eine Online-Buchungsplattform für kurzfristige Hotelaufenthalte für Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen. Bis heute bieten mehr als 600 Hotels in 47 ­Ländern kostenlos fast 12.000 Zimmer für bis zu fünf Nächte.
hospitality-helps.org

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