12.8 C
Wien
Freitag, April 26, 2024

„Im Burgenland bin ich einfach der Georg“

Text und Foto: Christoph Langecker

Seit etwa 30 Jahren engagiert sich der gebürtige Burgenländer Georg Hoanzl für das Kabarett und den österreichischen Film. Er hat die heimische Szene entscheidend geprägt. Es ist ein Samstagnachmittag im März in der Nähe von Schlaining. Der Frühling versucht, mehr und mehr Land zu gewinnen.

Gewinnend ist auch das gemütliche Wesen des Georg Hoanzl. Mit einem schwungvoll intonierten „d‘Ehre“ begrüßt er mich und macht mich sofort auf den Blick auf „sein Südburgenland“ aufmerksam. Müsste er gar nicht, denn die Aussicht von seinem Grundstück aus ist atemberaubend, die Weite schier endlos. Der Stress, dem er wochentags in Wien ausgesetzt ist, ist auch weit weg.

Ganz hinten am Horizont ist sogar die Riegersburg zu erkennen. „Weißt Du was“, sagt er, „gemma spazieren und ich zeige Dir den Weg, den ich fast jeden Tag gehe. Im Wald und auf den Wiesen können wir in Ruhe reden.“

vormagazin: Kommst Du eigentlich aus einer kulturaffinen Familie?

Hoanzl: Das ist eine schöne Frage, die ich so noch nie gestellt bekommen habe. Ja, ich stamme aus einer bäuerlichen Großfamilie, in der das Geschichtenerzählen eine lange Tradition hat. Aufgewachsen bin ich in Kukmirn, einer der größten Streusiedlungen der Region. Dort, bei den so genannten Berglern, lebt ein Nachbar oft zwei Kilometer weit entfernt. In der Ära bevor es Fernsehen und andere Unterhaltungsmöglichkeiten gab, traf man sich in privaten Häusern, im sogenannten „Feihaus“. Dort wurde musiziert und es wurden Geschichten erzählt.

Meine Großeltern Hermine und Franz Hoanzl hatten so einen Haushalt und meine Urgroßeltern auch. Bei meinen Eltern ist es heute noch so, dass sich Verwandtschaft, Nachbarschaft und Freunde treffen. Und es wird erzählt, erzählt und erzählt. Egal, ob das Lebensweisheiten oder kleine Missgeschicke aus dem Alltag sind. Es werden auch sehr alte Anekdoten von längst verstorbenen Menschen ausgegraben – der Bogen spannt sich fast über ein ganzes Jahrhundert. Das hat mich geformt.

Kannst Du kurz Deinen Werdegang skizzieren?

Mein erstes kulturelles Erlebnis war ein kleiner Wanderzirkus. Ich muss in der Volksschule gewesen sein. Mein zweites war mit zehn, als ich das erste Mal mit meinem Onkel im Kino war. In der Zeit der Arena-Bewegung sind dann im Südburgenland Kulturvereine wie der Kadl in Kukmirn entstanden, die Konzerte und Lesungen etwa mit STS oder Ulli Baer ausrichteten. Mein Onkel Sigi war sehr aktiv und ich durfte als 14-Jähriger auch mitmachen. Später wurde ich Schulsprecher und habe selber begonnen, Veranstaltungen zu organisieren.

Dann habe ich bei mehreren Kulturvereinen und auch im Offenen Haus Oberwart mitgearbeitet. In der Cselley Mühle habe ich 1987 Andreas Vitasek angesprochen und ich begann, für ihn und Josef Hader Auftritte abzuwickeln. Sieben Jahre lang war ich eine „One-Man-Show“, heute arbeite ich mit 48 fix angestellten Mitarbeitern.

Was treibt Dich an?

Bei Begegnungen von Menschen, die sich gegenseitig eine Geschichte erzählen, spüre ich seit meiner Kindheit immer wieder, was das für eine sinnliche Kraft in mir auslöst. Was mir taugt, ist, wenn ich in unsere materielle Welt immaterielle Werte einbringen kann. Ich möchte das Gemüt, den Geist und die Sinne der Menschen mit intellektuellen und emotionalen Berührungen bereichern. Das ist in mir drinnen.

Es fällt auf, dass Du nur im Dialekt sprichst und Dir das wichtig ist …

Es geht ja gar nicht, dass du Hoanzl heißt und Hochdeutsch redest. Der Dialekt begleitet mich mein Leben lang. Die Erlebniswelten meiner Kindheit, die durch das Geschichtenerzählen in der Umgangssprache entstanden sind, waren die Initialzündung für all meine Tätigkeiten heute. Deshalb habe ich mich auch in meiner Arbeit nie nur auf Wien konzentriert, sondern bin mit meinen Künstlern auch in kleinen Gemeinden auf dem Land aufgetreten. Da mache ich mir selbst ein Geschenk damit, wenn eine breite Bevölkerungsgruppe in ihrer Sprache Freude erfährt.

Unser Gespräch bringt mich gerade darauf, dass ich vielleicht in meinem Leben auch noch einmal etwas für jüngere Menschen machen sollte. Damit sie die gleiche emotionale Erfahrung machen können, wie ich das durfte.

Hattest Du als Jugendlicher eigentlich einen anderen Berufswunsch?

Evangelischer Pfarrer, Entwicklungshelfer oder Politiker schwebten mir vor. Heute könnte man sagen: Irgendwie mache ich eh das alles ( lacht).

Bist Du ins Dorfleben integriert?

Ja. Und es taugt mir. Das Dorfleben heute ist anders wie vor 30 Jahren. Das ist auch jedem bewusst. Die Dörfer, in denen wir aufgewachsen sind, gibt es in der Form nicht mehr. Ich habe ein irrsinniges Glück, dass ich so eine lässige Ortschaft erwischt habe. Sie ist nicht nur landschaftlich schön, sondern auch mitmenschlich. Hier weiß kaum jemand, was ich beruflich mache. Im Burgenland bin ich einfach der Georg.

Latest Posts

Anzeige

Für den vormagazin-Newsletter anmelden – Bleib mit uns in Bewegung

Neueste Beiträge