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Donnerstag, Dezember 5, 2024

Macondo

Von Grosny bis nach Simmering …

Eine Stadt. Ein Film. Am 24. März können Sie in 16 Wiener Programmkinos gratis Sudabeh Mortezais Flüchtlingsfilm MACONDO sehen. Die Regisseurin im Interview.

Dass ihr erster Spielfilm das Leben einer Flüchtlingsfamilie in Wien zum Thema hat, ist alles andere als zufällig. Denn obwohl ihre Eltern keine Flüchtlinge waren und sie Deutsch sprach, musste sie – als sie mit 12 aus Teheran nach Wien kam – auch Erfahrungen mit Fremdenfeindlichkeit machen. Sudabeh Mortezai studierte Theaterwissenschaften in Wien und Film in Los Angeles, machte diverse Jobs in der Filmbranche und drehte erste Dokumentarfilme. Mit Kollegen gründete sie die Film-Produktionsfirma „freibeuter“.

MACONDO

Mit ihrem Spielfilmdebüt MACONDO eroberte sie im Vorjahr das anspruchsvolle Viennale- und Berlinale-Publikum. Star des Films ist der 11-jährige Ramasan, der mit zwei kleinen Schwestern und einer jungen Mutter in einer von Flüchtlingen bewohnten Wiener Siedlung am Rande von Simmering lebt. Der Spitzname der Siedlung lautet MACONDO – nach dem Dorf in Márquez’ Bestseller „Hundert Jahre Einsamkeit“. Der Vater ist im Tschetschenienkrieg gefallen, und so fühlt sich Ramasan jetzt für die Familie verantwortlich. Ein Zwiespalt, denn natürlich lebt er noch in der Gedankenwelt eines Buben.

VORmagazin: Was war die Grundidee für „Macondo“?

Sudabeh Mortezai: Ich hab’ zufällig von dieser Wohnsiedlung gehört, wo über 2.000 Menschen aus über 20 Ländern mit einer Fluchterfahrung leben. Dort finden sich eigentlich alle Kriege der letzten Jahrzehnte wieder. Mein Eindruck war: „Dieser Ort ist voller Geschichten, die darauf warten, erzählt zu werden!“ Interessanterweise schaut es dort überhaupt nicht so aus wie sonst in Wien. Relativ bald ist mir klar geworden, dass ich dort etwas Fiktionalisiertes machen müsste. Nämlich um mehr Freiheiten zu haben, den Raum auszuschöpfen und eine Geschichte ganz nach meinen Wünschen zu erzählen.

VORmagazin: Wie hat sich dann die Story entwickelt?

Sudabeh Mortezai: Die Geschichte hat sich aus den ersten Begegnungen herauskristallisiert, aus den Geschichten, die ich gehört habe. Ich habe sehr früh sehr viele Kinder gesehen, die auf ihre jüngeren Geschwister aufpassen. Nicht nur Mädchen, sondern auch Burschen. Diese Teenager-Burschen mit den Kleinkindern, das war so ein Bild, das mich zum Nachdenken angeregt hat. Und dass man als Flüchtlingskind so früh erwachsen werden und viel zu viel Verantwortung übernehmen muss. Das war der Ausgangspunkt für meine Geschichte.

VORmagazin: Wie sah konkret die Arbeit mit den Laienschauspielern aus? Sudabeh Mortezai: Ich hatte zwar ein Drehbuch, aber ich wollte unbedingt chronologisch drehen und alles improvisieren. Ich habe den Darstellern nie erzählt, wie die Geschichte weitergeht, sie mussten sich stets überraschen lassen.

VORmagazin: Wie hat Ramasan darauf reagiert?

Sudabeh Mortezai: Gerade Ramasan wollte mit verschiedenen Tricks immer aus mir herausbekommen, wie es weitergeht. Am Anfang des Drehs hat er immer gesagt, er werde schon erraten, wie der Film endet, das würde er mir auch beweisen. Dann hat er etwas aufgeschrieben, in ein Kuvert getan und versiegelt, und draufgeschrieben: „Für Sudabeh. Öffnen am letzten Drehtag.“ Ich hab’ das dann auch bei mir zu Hause hängen gehabt und hab’s auch ganz brav nicht geöffnet. Und irgendwann, im fortgeschrittenen Dreh, kam er dann einmal zu mir und hat gesagt: „Sudabeh, ich glaub, du kannst dieses Kuvert jetzt aufmachen.“ Ich hab’ gesagt: „Ach, wieso jetzt?“ Und er hat gesagt: „Weil mein Ende stimmt nicht, ich hab’ jetzt verstanden, es ist viel komplizierter als das.“

VORmagazin: Was war sein Ende?

Sudabeh Mortezai: Seine Mutter und Isa heiraten, und dann gibt es ein großes Hochzeitsfest. Aber es war einfach toll, wie Ramasan verstanden hat, dass menschliche Geschichten nicht so simpel sind.

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