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Donnerstag, April 25, 2024

Niki Glattauer

Interview: Helmut Schneider Fotos: Stefan Joham

Mit seinem „Mitteilungsheft: Leider hat Lukas …“, in dem er die schönsten Schüler-Stilblüten seiner Karriere aufzeichnete, wurde der engagierte Pädagoge und Kolumnist („Kurier“) zum Bestsellerautor. In seinem neuen Roman „Ende der Kreidezeit“ schickt er eine Mathematiklehrerin mit einer geladenen Glock in der Handtasche in den modernen Alltagsdschungel, wo Minenfelder wie Spielplätze, volle U-Bahn-Garnituren und natürlich auch wieder mit Hormonen aufgeladene Klassenzimmer lauern.

vormagazin: Ihr Buch heißt „Das Ende der Kreidezeit“ – aber Sie sind ja noch Lehrer?

Niki Glattauer: Ja, aber die Zeiten haben sich geändert. Nicht nur in der Schule. Tafel und Kreide und alles, was wir gewohnt sind, sind vorbei. Es ist aber auch das Ende der Kreidezeit in der Gesellschaft. Wir erleben eine unglaubliche Zeit des Umbruchs. Wir spüren, dass wir alle komplett erschöpft und überfordert sind, weil – und das ist vielleicht der Schlüssel – das digitale System noch nicht und das analoge System nicht mehr funktioniert.

Diese Mathematiklehrerin, die gegen diese Entwicklungen der modernen Zeit kämpft, ist aber eigentlich eine sympathische Figur …

Die kämpft nicht dagegen, sondern damit. Das Buch ist lustig und die Figur ist sympathisch, es ist absichtlich surreal überzeichnet. Ich wollte kein Sachbuch schreiben, in dem ich aufliste, was alles nicht stimmt. Ich wollte ein Gefühl zum Ausdruck bringen.

Okay, aber einen gewissen Frust haben Sie sich schon von der Seele geschrieben, oder?

Ja, weil auch ich zu den Leuten zähle, die sich überfordert fühlen. Plötzlich müssen wir alles selber machen. Das fängt im Supermarkt an, wo es fast nur noch Selbstbedienungskassen gibt. Wenn du nun zum Automaten gehst, funktioniert er nicht und es muss erst recht ein Mitarbeiter kommen. Dasselbe gilt am Flughafen beim Check-In.

Ihre Protagonistin ist eine Frau. War es schwer, sozusagen als Frau zu schreiben?

Nein, das ist mir nicht schwerer gefallen. Ich bin ein echter Frauenversteher. Als Lehrer bin ich von Frauen umgeben und ich bin in einer Familie aufgewachsen, wo eigentlich nur die Mutter da war. Auch meine Freunde sind zu 90 Prozent weiblich.

Es kommt aber auch die „beste Freundin“ vor – eine solche Erfahrung werden Sie ja nicht haben …

Die beste Freundin der Lehrerin ist eine Krankenschwester. Da nahm ich einfach meine Frau als Vorlage, die tatsächlich als Krankenschwester arbeitet. Ich musste nur meine Frau und ihre Freundinnen beobachten und aufpassen, worüber die so tratschen.

Im Buch kommen eine U7 und U8 vor. Warum haben Sie nicht die realen Wiener U-Bahnen genannt?

Ich wollte ein surreales Bild schaffen und keine Wien-Doku schreiben. Denn so wie bei uns geht es ja in allen Städten zu. Aber natürlich stammen meine Beobachtungen aus Wien. Wenn man am Reumannplatz, beim Schottentor oder beim Karlsplatz umsteigen muss, schafft man es heute fast nicht mehr ohne „Aufgehunfälle“, denn der vor dir schaut nur aufs Handy. Die größten Ärgernisse sind Manspreading und Frauen, die ihre Handtasche auf dem Nebensitz parken. Ich fordere für beides ein Verbotsschild!

Wenn ich das Buch so lese, frage ich mich, ob Sie schon mal Kabarett gemacht haben?

Nein, aber man sagt mir oft, dass meine Lesungen wie ein Kabarett sind. Es gibt ja nicht so viele lustige Bücher. Menschen wollen bei all ihrem Ärger lachen und sich denken: „Ja, genau so geht es mir auch.“

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