Bild: ©Carina Antl
Barbara Kaudelka mit Blick aufs Meer.
Wenn Sie beginnen, Ihrem Passfoto ähnlich zu sehen, ist es Zeit für Urlaub. Dieser Spruch ziert eine Postkarte, die neben dem Badezimmerspiegel hängt. Die gelben Lettern vor der mediterranen Kulisse Kretas sollten mich daran erinnern, beizeiten das blasse Blau meiner Augenringe gegen azurnes Blau des Meeres zu tauschen. Vor vielen Jahren hatte ich mir diese Postkarte selbst aus einem Urlaub geschickt, den ich bereits am Zahnfleisch kriechend angetreten hatte. Auf der Rückseite ein Memo an mein Zukunfts-Ich: Heureka! Lern daraus! Das Motiv der griechischen Küste war nicht zufällig gewählt, denn dieses betörende Land zupft eine besondere Saite meiner inneren Lyra.
Schon als Jugendliche befiel mich endlose Faszination für die griechische Mythologie. Ich träumte mich zu Köhlmeiers Hörbüchern, in denen er die Sagen der Götter und Helden erzählte, auf den Gipfel des Olymps und in die Untiefen des Hades. Ich segelte mit Odysseus, litt mit Prometheus und seiner Leber, zitterte mit Theseus, als er dem Minotaurus entgegentrat, machte Party mit Dionysos und amüsierte mich über die kreativen Hackln, die Hera ihrem Göttergatten Zeus ins Kreuz haute, wenn der sich wieder mal beim außerehelichen Lustwandeln erwischen ließ.
In der griechischen Mythologie ist alles dabei: Liebe, Begehren, Eifersucht, Stolz, Zorn, Intrigen, Rache, Mitgefühl – Heldentum und Fehlbarkeit. Alles, was den Mensch zum Menschen macht und die Götter herrlich unperfekt. Verzeihung, jetzt hab ich mich ein bissi verzettelt. Wir waren bei reif für die Insel und Postkartensprüchen, gell? Gut, das mit dem In-Urlaub-Fliegen ist eh so a G’schicht. Erstens in den letzten Jahren sowieso schwierig aus bekannten Gründen, zweitens weil klimapfui, drittens Dukatenesel: Laut orakelten Preiskapriolen zum bevorstehenden Sommer empfiehlt sich ein amikales Naheverhältnis zu Krösus (besonders, wenn man in dessen „Hood“, der heutigen Türkei, pauschalurlauben will). Auch in Griechenland steigt der Obolus. Hach, Hellas … Wiege des Theaters. Auch ein Grund, warum’s mich so dorthin zieht. Jedoch nie im Sommer. Auch das hat mit der Kunst zu tun, denn als Bühnenmensch hast du da selbst Hochsaison, klassischen Sommerurlaub spielt’s nicht. Gespielt wird Sommer-theater. Dreharbeiten konzentrieren sich auf Juni bis August, da ist an Verreisen nicht zu denken.
Was mich zurückführt zu Augenringen und Passfoto-Resemblance, denn mein letzter Urlaub ist gefühlte Äonen her. Und wie ich Mitte Mai so vorm Badezimmerspiegel stehe, muss ich an die Moiren aus dem Disneyfilm „Hercules“ denken: bleich, zerknittert und das eine Auge, das sich die drei Schicksalsgöttinnen teilen, ziert Ringe, auf die selbst Saturn neidisch wäre. Blick auf die Postkarte. Wo ist mein Reisepass? Blick aufs Foto. Heureka! Ich hab daraus gelernt! Koffer gepackt, Pegasus gesattelt, auf nach Kreta!
Barbara Kaudelka ist Schauspielerin, Tonstudiosprecherin, Medienmensch und vormagazin-Kolumnistin.
Bild: ©Michael Taborsky