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Donnerstag, April 25, 2024

Wenn Flaschen Krieg führen

Bild: ©Eva Würdinger

Barbara Kaudelka über den etwas anderen Kriegsrausch.

Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.“ Dieses geflügelte Wort des US-Dichters Carl Sandburg schwirrte mir unlängst im Kopf umher. Das passiert mir ab und an. Leider. Nämlich immer dann, wenn es irgendwo auf unserem Erdenrund mal wieder politisch höchstpositionierten Machtmenschen in den Fingern juckt, medienwirksam an knochentrockenen Friedensgebäuden herumzuzündeln. 

Egal an welchem weltpolitischen Ufer: Drohgebärden sind im besten Fall kontraproduktiv. Im schlimmsten Fall allerdings brandgefährlich. Und mit Verlaub: Einen weiteren Krieg, eine weitere Front per se braucht unsere Gesellschaft – speziell inmitten einer globalen Pandemie – wie das sprichwörtliche Wimmerl am eh-scho-wissen. Wie es abseits von Bombardements, Panzerbrigaden oder bilateralem Säbelrasseln auch gehen kann, wenn’s halt doch mal Unstimmigkeiten auszufechten gilt, zeigen eindrucksvoll Kanada und Dänemark: Die beiden Nationen führen nämlich seit 1973 den „nettesten Besatzungs-krieg der Menschheits-geschichte“.

Haben Sie schon mal von der Hans-Insel gehört? Nein? Ich bis vor kurzem auch nicht, aber warten S’ ab, das könnte Ihnen gefallen: Wir sprechen von einer 1,25 Quadrat-kilometer „großen“ Felsinsel in den arktischen Gewässern nordöstlich von Grönland. Ein unbewohnter, vegetationsloser Steinklops, der inmitten des Kennedy-Kanals, genau auf der geografischen Grenzlinie zwischen Dänemark und Kanada liegt. Gar nicht „hygge“, denn beide Länder erheben territorialen Anspruch. Doch anstatt sich gegenseitig an die Kehle zu gehen, benetzt man selbige lieber – hochoffiziell und in militärischen Ehren!

Anno 1984 landete der dänische Minister für Grönland auf der Hans-Insel, beflaggte sie und markierte das neueroberte Territorium mit einer Flasche dänischem Schnaps. Das konnte der „Great White North“ natürlich nicht auf sich sitzen lassen: Man tat es den Dänen gleich, hisste seinerseits die kanadische Flagge und ersetzte den Schnaps durch eine Flasche kanadischen Roggen-Whiskey. Der „Whiskey-Krieg“ ward ausgerufen. Seither gingen immer wieder abwechselnd Schiffe der dänischen und kanadischen Marine vor Anker, die Soldaten demontierten die feindliche Fahne und hinterließen der gegnerischen Seite eine Buddel heimisches Hochprozentiges. Quasi nieder die Waffen, hoch die Tassen! 2018 richteten Kanada und Dänemark eine Taskforce ein, um die Frage der Territorialzugehörigkeit der Hans-Insel ein für alle Mal zu klären.

Bis zum heutigen Tag gibt es zwar noch keine Einigung, aber wer weiß, vielleicht halten es die Militärs der beiden Nationen ja mit dem braven Soldaten Schwejk, der sich mit Freunden zum gemeinsamen Umtrunk verabredete: „Nach dem Krieg um halb sechs.“


Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.“ Dieses geflügelte Wort des US-Dichters Carl Sandburg schwirrte mir unlängst im Kopf umher.

Barbara Kaudelka ist Schauspielerin, Tonstudiosprecherin und Medienmensch.

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