5.1 C
Wien
Mittwoch, April 24, 2024

Yasmo und Ralph Mothwurf

Mit Popmusik gegen die Wurschtigkeit

Neben dem Café Anno ist Ralph Mothwurfs WG am Alsergrund einer der geografischen Fixpunkte der Band Yasmo & die Klangkantine. Im Wohnzimmer stehen ein großer Tisch, mehrere Gitarren und Mothwurfs Klavier. Als er Yasmo hier seinen ersten musikalischen Entwurf zu ihrem Text „Baby“ vorspielte, erzählt er, habe sie angefangen zu weinen. „Weil er mich einfach verstanden hatte“, sagt Yasmo.

VORMAGAZIN: Sie sind neun Bandmitglieder, es gibt drei Komponisten. Wie laufen die kreativen Prozesse ab?

MOTHWURF: Jeder arbeitet anders. Bei mir ist vieles daraus entstanden, dass wir gesagt haben: Wir haben Lust auf etwas Neues. Eine Spoken-Word-Nummer zu integrieren, war zum Beispiel der Anfangsgedanke von „Salzwasser“. Ich weiß nicht, ob jemals ein anderer österreichischer Musiker über einen Sieben-Achtel-Takt gerappt hat.

YASMO: Es gab immer einen Dialog. Manche Ideen sind voll aufgegangen und andere eben nicht.

Die Nummer „Zwei“ ist ein Aufruf zu Toleranz und Respekt anderen gegenüber. Wie können Sie als Künstler diejenigen erreichen, die das nötig haben?

YASMO: Es steckt auch Selbstkritik darin. Ich habe irgendwann an mir eine Politikverdrossenheit wahrgenommen, die mich schockiert hat. So wollte ich wenigstens einen kleinen Anstoß geben: Wir müssen wieder etwas tun, uns für andere engagieren.

MOTHWURF: Der Präsidentschaftswahlkampf hat, glaube ich, zu einer neuen Politisierung der Gesellschaft geführt. Noch nie ist so viel über das Amt und die Konsequenzen einer Besetzung durch einen Rechtspopulisten nachgedacht worden. Und das ist ein essentieller Teil einer Demokratie. Außerdem haben wir ein Bewusstsein für diese Bubbles entwickelt, in denen Menschen mit immer gleichen Meinungen gefüttert werden. Vielleicht kann man jetzt differenzierter an politische Arbeit herangehen.

Die dezidierte Parteinahme durch viele Künstler ist auch kritisiert worden. Ist es nicht Ihre Aufgabe, unabhängig und kritisch zu bleiben?

MOTHWURF: Wir haben lange diskutiert, ob wir ein Video für Van der Bellen machen sollen, und uns schließlich dafür entschieden. Für einen Kandidaten einzustehen, mit dessen Programm man nicht in jedem Punkt übereinstimmt, ist nicht einfach. Manchmal muss man aber etwas tun. Es war uns wichtig, zu zeigen, dass es uns nicht wurscht ist.

YASMO: Und zwar auch auf das Risiko hin, als Staatskünstler beschimpft zu werden. Wir wollten Farbe bekennen.

Yasmo, viele Ihrer Texte fordern Absagen an gesellschaftliche Normen. Wie geht das?

YASMO: Man muss mit sich im Reinen sein und sich selbst den Rücken stärken. Dann kann einem keiner etwas anhaben.

MOTHWURF: Wenn ich an eine Band wie Bilderbuch denke, steht darüber ein großes „Ja“. Yasmo hat das auch.

„Salzwasser“ und „Girls Wanna Have Fun“ setzen sich mit einem unzeitgemäßen Frauenbild auseinander. Welcher Feminismus kann sich im Hiphop durchsetzen?

YASMO: Das noch immer nicht überwundene Patriarchat ist nicht nur eine Erscheinung des Hiphop, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem. Früher habe ich selbst gesagt: Die Quotenregelung ist dumm, denn wenn man konsequent auf ein Ziel hinarbeitet, erreicht man es auch. Frauen haben aber von vornherein schlechtere Chancen als Männer. Das Ziel ist also, über Bewusstseinsbildung dahin zu kommen, wo Quoten nicht mehr notwendig sind.

MOTHWURF: Für mich war Gleichberechtigung lange kein Thema, sondern selbstverständlich. Dann habe ich erkannt, dass es um die gesellschaftliche, aber auch um meine individuelle Entwicklung geht. Es reicht nicht zu sagen, dass man eh dafür ist. Man muss sich immer wieder in seiner eigenen Sozialisierung hinterfragen: Wie erlebe ich bestimmte Situationen? Sonst ändert sich gar nichts.

Bei Ihnen begleiten acht Männer eine Frau. Ist das nicht schon ein Statement an sich?

MOTHWURF: Wir haben mit Anna Maurer jetzt eine Pianistin, die wir einfach deswegen genommen haben, weil sie gut ist. Männergruppen können anstrengend sein, was Klima und Gesprächsthemen anbelangt. Bei uns gibt es keinen Macho, wir mögen uns alle gegenseitig und sagen uns das auch. Vielleicht sind wir eine feminine Männerband.

YASMO: Auf jeden Fall eine feministische. Als neulich bei einem Konzert ein Betrunkener „Ausziehen!“ gebrüllt hat, wusste ich, dass ich für meine Rant die ganze Band hinter mir hatte. Das war ein sehr schönes Gefühl.

Wie geht es mit Yasmo und der Klangkantine weiter?

MOTHWURF: Wir werden sicher weiterhin nach neuen musikalischen Wegen und Strukturen suchen. Mittlerweile haben wir ein tiefes Vertrauen zueinander, künstlerisch und menschlich. Das hilft uns dabei, Neues auszuprobieren.

YASMO: Wir haben alle einen Anspruch auf Entwicklung. Es darf nie zum Stillstand kommen.

Latest Posts

Anzeige

Für den vormagazin-Newsletter anmelden – Bleib mit uns in Bewegung

Neueste Beiträge