Barbara Kaudelka ist unter anderem vormagazin-Kolumnistin. – ©Carina Antl
Prosit 2024! Haben Sie Weihnachten und Silvester genossen? Die Feiertage schlemmend, schlunzend und möglichst horizontal drapiert verbracht – die Akkus wieder aufgeladen? Herrlich, gell? Wenn da nicht diese eine Sache wäre, die mich schon ewig stört: dieses lästige, bohrende Jänner-Summen. Nein, vielmehr ein Quietschen. Vom Wohlfühlfaktor her etwa dort angesiedelt, wo man mit Fingernägeln über eine Tafel kratzt. Im Jänner schwingt in unserer Gesellschaft traditionell das schlechte Gewissen mit. Sofort nach der wohlverdienten Entspannung, springt einem der feiste G’wissenswurm wie der Horrorclown aus der Kiste entgegen und macht klar, dass es vorbei ist mit dem Schlendrian. Arbeitspause? Vorbei! To-do-Liste? Muss sofort weiter abgearbeitet werden! Leiblicher Genuss ohne Kalorienzählen oder kritischen Blick in den Spiegel? Fini!
Kommt Ihnen bekannt vor? Ja, mir auch. Ich geb’s zu: Ich hab da jahrelang mitgemacht. Man ist ja gefühlt nix wert, wenn man nicht zehn Stunden am Tag malocht, daneben eine Wohnung hat, die aussieht, wie aus dem Ei gepellt, wenn man nicht jeden Tag ins Gym trainieren geht, damit der Weihnachtskekse-Schwimmreif möglichst rasch wieder weggeschwitzt ist, den man sich in widerlicher Unbeherrschtheit raufgefressen hat. Shame on you, shame on me! Moment! Warum zum Geier tun wir uns das an? Wieso torpedieren wir die schönen Momente der Gelöstheit, die eben erlangte Seelenbaumelung? Zack, mit dem ersten Tag des neuen Jahres muss man alles besser, schneller, erfolgreicher und effizienter machen. Selbstoptimierung auf Knopfdruck! Quasi ein ganz anderer sein als noch 24 Stunden vorher.
Mal ehrlich: Wer hat sich diesen Blödsinn einfallen lassen? Ich habe schon vor längerem beschlossen, ich mach da nicht mehr mit. Lassen wir uns doch nicht diktieren, wann wir unseren Körpern und Seelen eine Pause gönnen dürfen. Bitte nicht falsch verstehen: Es ist wunderbar, neue Ziele zu haben, sich verbessern oder Neues lernen zu wollen. Aber wieso dieser Druck, nur weil ein neues Kalenderjahr beginnt? Die Welt rast nicht nur mit einem Affenzahn durchs All, sie wird auch im Alltag gefühlt immer schneller. Immer anspruchsvoller. Immer fordernder. Darüber hinaus vergessen wir allzu oft darauf, auf uns zu achten, in uns hineinzuhören, die Signale unseres Körpers und unserer Psyche wahrzunehmen. Und damit auf uns selber aufzupassen.
Ich hätt da einen Vorschlag: Wie wär’s, wenn wir 2024 dafür nutzen, uns öfter mal etwas Gutes zu tun? Gönnen wir uns den Massagetermin! Essen wir den Kuchen mit Freunden! Machen wir pünktlich Feierabend, statt noch „schnell“ das Projekt fertigzukriegen. Und pfeifen wir auf den Putzmarathon am Wochenende und kuscheln dafür ein bisserl länger mit unserem Herzensmenschen. Let’s do this!
Barbara Kaudelka ist Schauspielerin, Tonstudiosprecherin, Medienmensch und vormagazin-Kolumnistin.
Bild: ©Michael Taborsky