„Ich fahre immer noch mit großer Begeisterung durch die Stadt.“ – Valerie Ertl, Wiener Linien | ©Wiener Linien/Jakob Schönfeldinger
Vor 32 Jahren eroberte Valerie Ertl als erste Frau das Steuer der Wiener Linien-Busse. Dabei erlebte sie viele unvergessliche Momente.
„Grüß Gott, ich will bei Ihnen Autobus fahren“.
Mit diesen Worten wurde Valerie Ertl im Jahr 1992 bei den Wiener Linien vorstellig. Heute sind Buslenkerinnen bei den Wiener Linien eine Selbstverständlichkeit, doch in der damaligen Zeit war eine Frau am Steuer eines Busses ein Novum. Dementsprechend lautete auch die Antwort: „Mir wurde zunächst gesagt, dass das nicht möglich ist, weil es keine sanitären Anlagen für Frauen gibt“, erzählt Frau Ertl. Doch so einfach ließ sie sich nicht abwimmeln und so ergatterte sie schließlich einen Platz in der Busschule. Ihre Begeisterung für große Fahrzeuge entstand schon in der Kindheit, erzählt Frau Ertl, die im landwirtschaftlichen Betrieb ihrer Eltern häufig von großen Fahrzeugen umgeben war: „Sobald ich gehen konnte, saß ich schon am Traktor.“
Erinnerungen
An die Zeit in der Busschule denkt Frau Ertl gerne zurück, auch wenn sie als einzige Frau immer wieder gegen Vorurteile kämpfen musste.
„Einer meiner Ausbildner sagte mir am Anfang ziemlich deutlich, dass es keine Frau beim Bus geben wird, solange er da ist, aber durch meine Erfahrung im Umgang mit Schwerfahrzeugen konnte ich am Ende sogar ihn überzeugen“, so Frau Ertl.
Im Laufe ihrer Tätigkeit als Buslenkerin legte sie nicht nur unzählige Kilometer zurück, sondern erlebte auch viele unvergessliche Momente. Sehr gut in Erinnerung geblieben ist ihr zum Beispiel ihre erste Ausfahrt mit dem Nachtbus oder als sie durch eine Schnellbahnunterführung fuhr und ein Zug über sie hinwegrauschte.
„Ich dachte für einen Moment, dass ich die Unterführung gestreift und und den Bus zerstört habe. Da blieb mein Herz vor Schreck fast stehen“, erzählt sie.
Schmunzeln muss sie, wenn sie an das kleine Mädchen denkt, das sie – offenbar überrascht davon, dass eine Frau den Bus lenkt – einmal gefragt hat, ob sie ein Mann oder eine Frau sei.
Leidenschaft
Der Job als Buslenker*in hat sich in den vergangenen Jahrzehnten durchaus verändert, findet Frau Ertl. Zum einen sind die Busse deutlich komfortabler – „früher mussten wir uns mit unzureichenden Heizungen im Winter und fehlender Klimaanlage im Sommer arrangieren“. Dafür ist das Verkehrsaufkommen samt E-Scootern sowie Lieferdiensten unübersichtlicher geworden, was stets die volle Konzentration der Buslenker*innen in Anspruch nimmt. Für ihre Schicht pendelt sie aus dem Waldviertel in die Leopoldau – natürlich mit den Öffis.
Bis heute übt Frau Ertl ihren Job mit Leidenschaft aus: „Ich bin bald 60 Jahre alt und fahre immer noch mit großer Begeisterung durch die Stadt.“
Besonders gerne lenkt sie den 26A, der von Kagran bis nach Groß-Enzersdorf fährt. Auch die Routen hinauf zum Kahlenberg genießt sie sehr. Was sie in der Pension besonders vermissen wird?
„Auf jeden Fall meine Kolleg*innen, aber auch die Begegnungen mit den Fahrgästen.“ Und natürlich das Schönste am Busfahren – „dass ich meinen Gedanken freien Lauf lassen kann“.
Chancengleichheit
Männer sind im Fahrdienst der Wiener Linien auch heute noch in der Mehrheit, doch die Zahl der Frauen steigt kontinuierlich an. Das Unternehmen setzt sich aktiv für Chancengleichheit und Vielfalt ein – so bekommen Frauen etwa das gleiche Gehalt wie Männer. Diverse Initiativen zielen darauf ab, Frauen für den Fahrbetrieb, die Werkstätten und andere technische Berufe zu begeistern. Zudem gibt es Förderprogramme für Frauen im Unternehmen.