14.7 C
Wien
Dienstag, November 4, 2025

Mim QuiQui auf a Achterl


BARBARA KAUDELKA ÜBER JENSEITIGEN SCHMÄH.


Die Tage um Allerheiligen und Allerseelen markieren die Zeit im Jahr, in der sich im christlich geprägten Zentraleuropa, den USA und Lateinamerika viele Menschen mit dem Tod beschäftigen. Ob es die stille Einkehr ist, der jährliche Höflichkeitsbesuch am Friedhof oder der bunt-fröhliche Dia de Los Muertos: An den Feiertagen gedenkt man traditionell der Verstorbenen. Der Tod hat für jeden von uns ein anderes Gesicht, eine andere Stimme, ein anderes Gefühl.

Der Tod ist ein Elementarereignis. Und geht es nach dem legendären Dichter Georg Kreisler, dann muss der Tod vor allem eines sein: ein Wiener. Im gleichnamigen Wienerlied besingt Kreisler ein gar nicht mal so gut gehütetes Geheimnis: Wien und der Tod haben ein makabres Pantscherl. Hier frönt man lustvoll dem gepflegten, dunkelschwarzen Humor und versucht dem Sensenmann den Schrecken zu nehmen, indem man ihm noch a bissl a Goschn anhängt.

Das beginnt schon mit der Namensgebung: Im Wiener Idiom firmiert Gevatter Tod nämlich unter dem Synonym „QuiQui“. QuiQui! Das hat in etwa das Drohpotenzial eines blad gefressenen Schoß-Rattlers. Historisch gewachsen wird in Wien anders gestorben – hier scheidet man nicht etepetete aus dem Leben, hier wird „das Bankl grissn“, „die Potschn gstreckt“, in den „Holzpyjama gschlupft“ und „die Erdapferln vo unten angschaut“. Tritt man seine letzte Reise an, so „nimmt ma den 71er“, jene Straßenbahnlinie, die an den Stadtrand zum Zentralfriedhof führt. In Wien flüstert der Wind, der um den Steffl weht, „Memento mori!“ durch die Gassen. In einer Frequenz, die oft erst das Ohrwaschl ab fünfzig vernimmt.

Mir selbst wurde schon in jungen Jahren schmerzlich bewusst, dass der Tod auch grausam und unfair sein kann. Humor war stets meine Coping-Strategie. Funktioniert bei Verlust nicht immer, aber in Hinblick auf die eigene Vergänglichkeit ausgezeichnet: So führe ich etwa ein kleines Notizbüchlein, in dem ich witzige Inschriften für meinen eigenen Grabstein sammle, und besuche regelmäßig das Wiener Bestattungsmuseum, dessen makaber-witzigen Zugang ich heftig feiere.

Lachen spendet Trost. Doch die unbequeme Wahrheit ist: Wir alle geben irgendwann den Löffel ab. Ein Satz aus dem Gedicht „Der halbfertige Himmel“ des schwedischen Literatur-Nobelpreisträgers Tomas Tranströmer berührt mich jedesmal: „Jeder Mensch ist eine halboffene Türe, die in einen Raum für alle führt.“ Wir wissen alle nicht, wie viel Zeit wir haben und wann unser letztes Körnchen in QuiQuis Sanduhr herabrieselt.

Doch ist es nicht ebendiese Endlichkeit, die dem Leben seine Kostbarkeit und sein Potenzial gibt? Ich stelle mir gerne vor, dass unsere Lieben, die vorangegangen sind, sich für uns wünschen, dass wir uns im Hier und Jetzt ein glückliches Leben gestalten. Und dieser Wunsch bleibt als Teil von ihnen in unserer Welt, als Echo ihrer Liebe.

Latest Posts

Anzeige

Für den vormagazin-Newsletter anmelden – Bleib mit uns in Bewegung

Neueste Beiträge