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Donnerstag, Dezember 26, 2024

Hilary Mantel

Text: Ursula Scheidl & Helmut Schneider

Fotos: Stefan Joham

Die zurzeit erfolgreichste britische Schriftstellerin hat es – wie ihrer Autobiografie „Von Geist und Geistern“ zu entnehmen ist – in ihrem Leben nicht leicht gehabt. Als Tochter armer, irischstämmiger Eltern kam sie eher zufällig an die Universität, wo sie Jus studierte. Wegen einer falsch behandelten Endometriose litt sie an furchtbaren Schmerzen, nahm stark an Gewicht zu und war drauf und dran, in der Psychiatrie zu landen. Bis heute leidet sie an den Folgen. Nach einer Reihe von der Kritik hochgelobten, aber wenig gelesenen Romanen gelang ihr 2009 mit dem historischen Roman „Wölfe“, über Thomas Cromwell, dem Kanzler Heinrichs VIII, ein Bestseller. Darauf folgte 2012 die Fortsetzung „Falken“, die abermals mit dem Booker- Preis ausgezeichnet und von der BBC verfilmt wurde. 2014 wurde sie von Königin Elisabeth II. zur Dame Commander des Order of the British Empire ernannt.

„Eine STADT. Ein BUCH.“, die Buchaktion des echo medienhauses, wird heuer ab 6. November ihren ersten Roman „Jeder Tag ist Muttertag“ 100.000 mal gratis verteilen. Das Buch handelt von der an Geister glaubenden Evelyn und ihrer augenscheinlich zurückgebliebenen Tochter Muriel. Eine Geschichte voll schwarzem Humor mit ernstem Hintergrund, wird doch das englische Sozialsystem und die Arbeit von Sozialarbeitern thematisiert. Hilary Mantel arbeitete selbst einige Jahre im „social work department“ einer geriatrischen Klinik, wie sie im Interview in ihrem Haus in Budleigh Salterton erzählt.

vormagazin: „Jeder Tag ist Muttertag“ war ihr erstes verö ffentlichtes Buch. Sie haben den Roman unter schwierigen Umständen geschrieben …

Hilary Mantel: Das Buch wurde in drei Ländern geschrieben. Mein Mann Gerald war Geologe. 1977 gingen wir nach Botswana in den Süden von Afrika. Es gab verschiedene missliche Umstände: Meine Gesundheit verschlechterte sich drastisch, unsere Ehe scheiterte und ich ging für kurze Zeit nach England. Dann haben mein Mann und ich wieder zueinander gefunden und wir übersiedelten nach Saudi Arabien. Ich habe mein Buch von Land zu Land mitgenommen. Ich schrieb über eine Zeit, die zehn Jahre zurücklag. Aber ich habe alles in meinem Kopf mitgetragen.

Gleich nach der Universität waren Sie Sozialarbeiterin. Kam Ihnen da die Idee zum Roman?

Die Idee war zwar da, aber sie war mir nicht bewusst, denn ich hatte noch nicht mit dem Schreiben begonnen. Ich arbeitete damals mit Älteren, also mit anderen Menschen als im Buch. Aber ich sah die komischen und tragischen Aspekte der Arbeit, vor allem aber das enorme Potenzial, wo Dinge schiefgehen können. Natürlich habe ich über das Recht der Gesellschaft, sich in anderer Leute Leben einzumischen, nachgedacht. Als die Veröffentlichung meines ersten Buches scheiterte, habe ich auf das Thema zurückgegri ffen und das Ganze mit einer großen Portion schwarzem Humor angemischt. Ich möchte einfach Spaß mit dem Leser haben. Und ich ho ffe, dass der Leser den Witz mit mir teilt.

Hat sich Ihr Leben nach dem Erfolg von „Wölfe“ sehr verändert?

Ja. Im Jahr nach der Verö ffentlichung war ich unglaublich krank, ich musste zweimal operiert werden und hatte für sechs Monate kein richtiges Leben. Als ich mich erholte, schrieb ich das zweite Buch über Thomas Cromwell, „Bring up the Bodies“, ein erneuter großer Erfolg. Mein Leben ging dauernd auf und ab in diesen Jahren. Aber ich stand zu diesem Zeitpunkt unter viel Druck, ein gutes Buch zu verö ffentlichen. Den Druck bekam ich ganz sanft von meinen Lesern zu spüren, doch vor allem machte ich ihn mir selbst. Ich ho ffe, den Abschluss meiner Cromwell-Trilogie Anfang 2019 fertig zu bekommen.

Was wäre Ihr wichtigster Rat für junge Autoren?

Es ist wichtig, seiner eigenen Vision treu zu bleiben. Geduld ist fast so wichtig wie das Talent, zu schreiben. In den Zeitungen liest man von Autoren, die über Nacht mit ihren Romanen berühmt geworden sind. Aber so passiert es nie wirklich. Menschen fragen mich, wie lange es gedauert hat, bis mein Roman fertig war. Und ich sage immer: Es dauerte mein ganzes Leben.

 

 

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