Andrea Groll macht auch in der Pension noch das, wofür ihr Herz schlägt – sie arbeitet als Teilzeit-Straßenbahnfahrerin. – ©Bubu Dujmic
Andrea Groll ist die erste KV-Bedienstete, die in Alterspension und Teilzeit-Straßenbahnfahrerin ist. An drei Tagen die Woche hält Andrea Groll Wien für insgesamt 22,5 Stunden mobil. Ihr Teamleiter Damir Osmanovic hat sie bei ihrem Wiedereinstieg unterstützt. Dank der Kombination aus Pension und ihrem Einkommen hat sie ein Gehalt, das mit ihrer Entlohnung zu Zeiten als Vollzeitfahrerin vergleichbar ist. Wir haben uns mit Andrea Groll getroffen und uns über Herausforderungen, Alltag und ihre Geschichte unterhalten.
vormagazin: Sie waren eigentlich schon in Pension. Was hat Sie zu Ihrer Rückkehr motiviert?
Andrea Groll: Eine Pensionierung ist nicht gleichbedeutend mit Nichtstun. Ich hatte und habe immer noch viel Freude an meiner Arbeit als Straßenbahnfahrerin. Das möchte ich so lange wie möglich auskosten.
Sie haben mit 21 Jahren die Ausbildung zur Straßenbahnfahrerin begonnen. Wie ist es dazu gekommen?
Ich bin am westlichen Stadtrand von Wien aufgewachsen und fuhr täglich mit Bus und Bim zur Schule. Mich hat fasziniert, wie scheinbar mühelos die Fahrer*innen ihre Straßenbahn bedienen. Dazu kam damals der unverwechselbare Geruch des Holzbodens, der mich bis heute nicht mehr losgelassen hat.
Ihre nächsten Stationen waren dann bei der U-Bahn …
Ich war als Stationswartin im Springerdienst, ich war keiner fixen Station zugeteilt. Am liebsten war ich am Karlsplatz. Die vielfältigen Menschen, das weitläufige Gebäude – das fand ich spannend. Die Nachtdienste hatten es manchmal in sich. Mein damaliger Obermeister hat mich dazu motiviert, als zweite U4-Fahrerin anzufangen. Das habe ich bis 1995 gemacht. Dann habe ich das Unternehmen verlassen und ging 25 Jahre in die Privatwirtschaft.
Schließlich hat Ihr beruflicher Weg wieder zur Straßenbahn geführt. Wie lief der Wiedereinstieg ab?
Ich habe mich für meinen Wiedereinstieg online beworben und musste auch ein Video dafür machen. Daraufhin habe ich eine Einladung zum Eignungstest und der notwendigen, medizinischen Untersuchung bekommen. Als ich auch die Fahrer*innen-Fachschule abgeschlossen hatte, war ich schließlich sehr glücklich, wieder im Fahrerstand zu sitzen.
Wie hat Ihr Umfeld auf den Job reagiert?
Viele fanden es mutig von mir, dass ich mit 58 Jahren noch einmal von vorne begonnen habe. Im beruflichen Umfeld gibt es schon Stimmen, die mich danach fragen, warum ich mir das noch antue. Ich bin der Meinung, dass es für jede*n den passenden Schuh gibt. Und dieser Schuh heißt bei mir Straßenbahnfahren.
Ihr Heimatbahnhof ist der Betriebsbahnhof Favoriten. Was ist Ihre Lieblingslinie, die von diesem Standort fährt?
Einen besonderen Stellenwert hat für mich der 1er, der mich in meine alte Heimat bei der Prater Hauptallee bringt. Auch die Linie N, die ich früher mit der Wagentype F bedient habe, mochte ich sehr, denn ich bin gerne mit unseren „Kurblern“ gefahren. Letztendlich mag ich alle Linien, ich liebe einfach das Fahren und möchte das so lange wie möglich machen!
Hat sich Ihre Einstellung zum Straßenbahnfahren über die Jahre geändert?
Nein, meine Begeisterung für das Straßenbahnfahren ist unverändert hoch. Menschen weiterzubringen ist genau meins. Zwar gibt es auch unangenehme Situationen, doch das gehört zu meiner Arbeit dazu.
Gibt es noch etwas, das Sie Ihren Kolleg*innen und Mitmenschen mitgeben wollen?
Mein Tipp: Bleibt flexibel, denn die Zeiten ändern sich. Deshalb ist es sehr wichtig, anpassungsfähig zu bleiben, um sich weiterentwickeln zu können. Für viele ist das Bimfahren nur der Einstieg in ein aufregendes Berufsleben. Darüber hinaus gibt es immer viele weitere Möglichkeiten, seinen beruflichen Werdegang zu gestalten.