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Donnerstag, Juni 19, 2025

Mein Urlaub am Markt

Bild: © Stefan Diesner l Text: Robert Sommer

Sollte das Geld wegen der Teuerungswelle heuer nicht für Ibiza, Kreta oder andere Mittelmeerinseln reichen, rate ich zu einem Facebook-Urlaub: Man wird davon zwar nicht braun, schafft es aber immerhin, dass sich so mancher Landsmann vor Neid grün und blau ärgert.

Ich gebe hiermit zu Protokoll, schon im letzten Sommer mit dieser Art von kostengünstigem Reisen begonnen zu haben. Ich saß damals mit meinem ausgefuchsten Freund Yosef, den Leser ja aus meinen Büchern kennen, am Karmelitermarkt. Vor uns zwei Gläser Ouzo, in uns das keineswegs berauschende Gefühl, an diesem verregneten Nachmittag nicht die Wärme am Meer genießen zu können. „Wir müssen unsere Laune verbessern“, meinte der ewige Optimist an meiner Seite. „Du bist doch in den sozialen Medien stark vertreten?“ Ich bejahte. Worauf er mir auftrug, im Internet ein Foto vom Sonnenuntergang auf Hawaii zu suchen und auf Facebook mit dem Text zu versehen: „Urlaubsgrüße von Yosef und mir.“ Das sollte für einen mittleren Neid-anfall meiner „Freunde“ reichen. Doch es passierte … wenig. Nach einer Stunde hatten wir gerade einmal drei Likes gesammelt und einen Kommentar, der unsere Laune nicht verbesserte: „Guten Heimflug! Habt ihr wenigstens Business Class gebucht?“

Yosef runzelte etwas ratlos die Stirn, griff zu meinem iPhone, suchte ein heißes Bild von drei aufreizenden Hawaii-Schönheiten und sandte es unter meinem Namen in die (a)soziale Welt hinaus. Ohne Text, denn das Foto sprach ja für sich selbst. Aber der Erfolg stellte sich auch diesmal nicht ein – sieht man von einem Augenwinkel-Emoji eines ehemaligen, mittlerweile über 90-jährigen Biologie-Professors ab.

Also mussten wir noch schwerere Geschütze auffahren. „Poste doch das teuerste Hotel der ganzen Insel“, empfahl Yosef, „und schreibe, dass wir uns schon auf das Dinner dort freuen!“ Nur wenige Minuten später erschien ich am Nebentisch ein groß gewachsener Mann, der zuvor die ganze Zeit auf sein Handy gestarrt hatte, er kam zu uns und schrie angewidert: „Ich hasse es, wenn Leute wie Sie ihren Reichtum zur Schau stellen.“ Und die Moral von der Geschichte: Neid macht blind.

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