Momente für die Ewigkeit: Cartier-Bresson im Foto Arsenal Wien
Bis 21. September 2025 zeigt das neue Foto Arsenal eine umfassende Retrospektive zu Henri Cartier-Bresson. An die 240 Schwarz-Weiß-Bilder entführen in das 20. Jahrhundert und gewähren einen Blick auf den berühmten „entscheidenden Moment“ des Foto-Pioniers.
Die Retrospektive „Watch! Watch! Watch!“ versammelt rund 240 Exponate – von surrealistisch geprägten Frühwerken bis zu legendären Street-Fotos. Erstmals seit Jahrzehnten ermöglicht die Kooperation mit internationalen Partnern eine so umfassende Cartier-Bresson-Schau in Österreich.
Der entscheidende Augenblick
„Der Moment ist alles“, sagte Henri Cartier-Bresson – und löste aus. Der Mitbegründer der Agentur Magnum gilt als Meister der Street Photography, aber eigentlich war er ein Jäger. Einer, der mit seiner Leica auf Lauer lag, um den „entscheidenden Augenblick“ einzufangen – jenes flüchtige Zusammenspiel aus Licht, Geometrie und menschlicher Geste, das nie wiederkehrt. In der Wiener Ausstellung trifft man auf Klassiker wie den berühmten Pfützenspringer hinter dem Gare Saint-Lazare (1932), aber auch auf weniger bekannte Aufnahmen, die seine feine Beobachtungsgabe und beinahe choreografische Bildkomposition zeigen.
Cartier-Bresson war kein Freund von Inszenierung. Seine Sujets wirken wie zufällig, sind aber messerscharf komponiert. Linien, Schatten, Fluchten – alles sitzt. Die Kamera war für ihn kein Werkzeug der Kontrolle, sondern der Offenbarung. Ob in Mexiko, Spanien oder Paris: Immer beobachtete er mit einem klaren, fast meditativen Blick auf das Alltägliche – und machte es universell.
Doch Cartier-Bresson war nicht nur Ästhet, sondern auch politisch wacher Zeitzeuge. Die Schau widmet einen ganzen Abschnitt seinen weltgeschichtlichen Reportagen: Gandhi, Minuten vor seiner Ermordung. Maoisten im Umbruch. Aufbruchsstimmung in Kuba. Er dokumentierte nicht nur Geschichte, er nahm an ihr teil – mit der Distanz eines Lyrikers, aber dem Timing eines Journalisten.
Besonders eindrucksvoll: seine Fotoreportage aus China 1949, als er den Übergang zur Volksrepublik dokumentierte, auf leisen Sohlen, aber mit klarem Fokus. Auch seine Arbeit zur Teilung Berlins oder seine Begegnungen mit sowjetischer Kultur zeigen, wie sehr er das Politische im Menschlichen suchte. Nie plump agitatorisch, sondern subtil, eben wie sein Blick.
Mensch, Moment, Mythos
Die Ausstellung zeigt auch den Menschen dahinter. Skizzen, Filme und Kontaktabzüge eröffnen Einblicke in Cartier-Bressons Denkweise. In einem Raum dreht sich alles um seine Affinität zum Surrealismus. Frühe Experimente mit Verzerrung und Kontrasten lassen erkennen, wie sehr seine Kunst aus dem Geist der Avantgarde geboren wurde.
Und dann sind da noch die Porträts. Sartre, Camus, Matisse – viele Große des 20. Jahrhunderts standen vor seiner Linse. Doch statt Star-Appeal gab es stille Nähe. Cartier-Bresson hielt nicht fest, er ließ geschehen. Vielleicht macht genau das seinen Mythos aus. Er suchte nie den perfekten Moment und fand ihn doch. Immer wieder. (mgö)
Henri Cartier-Bresson Watch! Watch! Watch! Bis 21. September 2025 Foto Arsenal Wien Arsenal Objekt 19A, 1030 Wien Öffnungszeiten: Di.–So., 11–19 Uhr Eintritt: € 10,00 (ermäßigt € 5,00, unter 19 Jahren frei) fotoarsenalwien.at