Der Strom kommt bekanntlich aus der Steckdose. Solange er das tut, interessiert sich kein Mensch dafür, wie er dort hineinkommt. Das wird erst Thema, wenn er plötzlich nicht da ist. Das ist normal. Auch andernorts: bei Müll, Wasser und Kanal etwa. Und natürlich bei den Wiener Linien. Wie der Strom in die Bim kommt, fragt niemand. Und das, weiß Markus Hofstädter, „ist in Wirklichkeit ein Kompliment.“
Markus Hofstädter ist Oberleitungsreferent. Er und seine Truppe sorgen dafür, dass Straßen- und U-Bahnen (und den E-Bussen der City) der Saft nicht ausgeht. Knapp 120 Mann … „Falsch!“, unterbricht Hofstädter, „wir haben auch Frauen im Team. Das ist längst für alle selbstverständlich.“ Also: 120 Männer und Frauen verlegen Leitungen, tauschen sie aus und kontrollieren dreimal jährlich Funktionsfähigkeit und Sicherheit von knapp 500 Kilometer Oberleitung und 185 Kilometer U-Bahn-Stromschiene – und periodisch auch die von tausenden Masten. Bei Tag und Nacht und jedem Wetter. Das ist Schwerarbeit und alles andere als ungefährlich.
Denn bei 600 Volt darf nicht ein einziges Mal vergessen werden, die Leitungen vorab spannungsfrei zu schalten. Außerdem ist es keine Kinderjause, im Herbst bei Wind und Regen in der Höhe Leitungen zu verlegen. Wie „locker“ ist es wohl, hunderte Meter „Draht“ zu ziehen, einzuhängen und in kiloschwere Verbindungsklemmern zu zwingen? Zumal dieser Draht einen Querschnitt von 100 Quadratmillimetern hat. „Ein Meter wiegt ein Kilo“, hilft Hofstädter beim Rechnen. Doch wie sich diese Legierung aus Kupfer und Silber nach einigen Stunden Arbeit bei Temperaturen um den Gefrierpunkt durch die Handschuhe anfühlt, kann man nur schwer beschreiben: Man sieht es. In den Gesichtern der Frauen und Männer auf den Montagetrucks.
Daran, dass das niemand bemerkt, ist die Oberleitungstruppe gewöhnt. Und nimmt dieses Nicht-Bemerkt-werden als Kompliment. Schließlich kommt ja auch zu Hause der Strom aus der Steckdose – und niemand fragt, wie er dort hineingekommen ist.
