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Samstag, Februar 22, 2025

Publikumsdialog statt innerer Monolog – „Fräulein Else“ frei nach Schnitzler im Volkstheater

Text: Helmut Schneider | Bild: ©Marcel Urlaub

Arthur Schnitzlers Novelle „Fräulein Else“ gilt neben „Leutnant Gustl“ als Prototyp des literarischen inneren Monologs. Eine junge Frau wird von ihrem bankrotten Vater genötigt, einen reichen Kunsthändler anzupumpen, um Gefängnis und Schande von der Familie abzuwenden. Der will allerdings einen „Deal“ – eine Viertelstunde soll Else nackt vor ihm stehen. Bei Schnitzler nimmt sie sich daraufhin mit Veronal das Leben. Aber funktioniert das heute noch, nach Weinstein & Metoo? Regisseurin Leonie Böhm und Schauspielerin Julia Riedler versuchen im Volkstheater eine Antwort.

Dabei startet ihre Else gleich zu Beginn einen Dialog mit dem Publikum. Banalitäten werden ausgetauscht, Else fragt nach Veronal, spricht die Souffleuse als Tante an, einen jungen Mann als ihren Cousin.  Aus dem inneren Monolog wird ein äußerer. Dazu ist eine enorme Bühnenpräsenz notwendig, die Julia Riedler auch aufbringt, als Requisite dient nur ein Kronleuchter. Nach und nach kommen aber die Umstände des Deals zutage, der Kunsthändler als schmieriger Typ, der seine Knie an ihre presst entlarvt. Aber Else darf ausschweifen: wie wäre es, wenn alle bei ihrer Entkleidung dabei wären – würde ihm das den Spaß versauern? Wenn sie dann nur mit Unterhose bekleidet vor ihm steht, käme er vielleicht sogar zur Selbsterkenntnis und er sieht ein: „Mein Verhalten war ja megatoxisch!“ Das ist dann wieder so absurd, dass es komisch rüberkommt. Am Ende öffnet sich der Eiserne Vorhang und Else darf in ein Nebelmeer tanzen.

Schnitzler hat in „Fräulein Else“ den Frauenkörper brutal als Ware dargestellt – einmal schauen kostet 30.000 Kronen. Diese Kapitalismuskritik geht an diesem Abend vielleicht doch etwas unter. Das Premierenpublikum jubelte Schauspielerin und Regisseurin dennoch frenetisch zu.


INFO
volkstheater.at

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