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Mittwoch, April 24, 2024

Stimmen hören

Wie mich der technische Fortschritt doch einmal enttäuscht hat.

Von Paul Watzlawick stammt der Fundamentalsatz: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Das ist, so­ bald eine zweite Person in Sichtweite ist, zweifellos richtig. Ergänzend kann man aber festhalten, dass manche Kommunikationsformen einfach stärker auffallen.

Der Siegeszug der Mobiltelefonie etwa hat dazu geführt, dass man, während man an der Supermarktkasse wartet oder in der Tramway hockt, zwanglos Einblicke – das Wort „Einhöre“ existiert ja leider nicht – in fremder Leute Leben erhält. Ein­blicke, die früher undenkbar gewesen wären, damals, als noch niemand auf die Idee gekommen wäre, jemanden, den man ge­rade angerufen hat, „Bist Du zufällig grad daheim?“ zu fragen. Ich finde das durchaus bereichernd. Oft genug erfährt man zwar lediglich, wo sich der oder die Telefonierende gerade auf­hält, und das wüsste man ja, steht man doch daneben, eh selber auch. Manchmal aber sind es auch Beziehungsstreitigkeiten, haarsträubende Krankengeschichten oder politische Manifeste, in deren Genuss man kommt, und das ist allerweil besser als nix.

Große Hoffnungen auf Steigerung meiner persönlichen Lebensqualität setzte ich in die vor etwa zehn Jahren in Mode gekommenen Handy­-Freisprecheinrichtungen. Ich habe näm­lich die beschämende, aber unkorrigierbare Angewohnheit, vor allem beim Ausdenken oder Auswendiglernen von Texten vor mich hinzubrabbeln, ohne mir dessen bewusst zu sein. Folge­richtig war ich sehr erleichtert, als plötzlich auch andere, ganz normale Leute begannen, ansatzlos „Ja, nimm bitte einen Feuchtraumstecker mit!“ oder „Was heißt siebenhundert, von fünfhundert war immer die Rede!“ zu sagen.

Besonders gern erinnere ich mich an die etwas überstylte Siebzehnjährige, die neben mir an der Ampel wartete, sachte den Kopf in meine Richtung drehte, die Brauen runzelte und sprach: „Hörst, bitte, wenn der Streifen blau ist, dann bist schwanger!“

Aber irgendwas – vermutlich SMS, WhatsApp und ähnli­che Messenger­Dienste – hat dem flächendeckenden Brab­beln dann doch die allgemeine Durchsetzung vermasselt. Was mir schmerzlich klar wurde, als ich unlängst in der U­-Bahn einen Moderationstext ausheckte und mein Vis­-à­-vis sagen hören musste: „Du, ich leg jetzt auf, da sitzt einer, der redet die ganze Zeit.“

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