Bild: ©Arman Rastegar
Michaela Killian ist 33 und führt den Betrieb von Österreichs größtem Kraftwerk Simmering, das 800.000 Haushalte mit Strom und 300.000 Haushalte mit Fernwärme versorgt. Ein Lokalaugenschein bei der Frau, die eine Männerdomäne erobert hat.
Schwindelfrei zu sein ist manchmal durchaus von Vorteil. Mit Helm auf dem Kopf und absolvierter Sicherheitsunterweisung in der Tasche geht es mit Michaela Killian, Leiterin der Betriebsführung, hoch hinauf auf 57 Meter, das sind rund 20 Stockwerke. In luftigen Höhen unter der Decke des Kesselhauses führt der Weg über hängende Gitterwege, die auch unter den Füßen den Blick bis zum Boden und auf die gewaltigen Rohrleitungen freigeben. Durch eine Luke geht’s auf die Dachterrasse, die einen beeindruckenden Blick über das Gelände des Kraftwerks Simmering bietet. Über 1,3 Quadratkilometer erstreckt sich die Anlage, die damit mehr als halb so groß ist wie der Zwergstaat Monaco.
„Wir produzieren Strom und Wärme für Wien“, sagt Michaela Killian.
„Das Kraftwerk Simmering versorgt 800.000 Haushalte mit Strom und 300.000 Haushalte mit Fernwärme.“
Allein mit einem der beiden Gasblöcke des Kraftwerks Simmering könnten Linz und Graz mit Energie versorgt werden.
Leistung
Reichlich Energie hat auch die junge Technikerin, die hier als Leiterin der Betriebsführung im Einsatz ist. Im Jänner übernahm Killian die Leitung der Betriebsführung der Kraftwerke Simmering und Donaustadt. Damit ist sie die Chefin von 100 Männern und die erste Frau in dieser Männerdomäne.
„Mir ist wichtig, dass wir alle dasselbe Ziel vor Augen haben und an einem Strang ziehen“, sagt Michaela Killian.
Transformation
Ortswechsel, runter vom Dach, zurück auf den Boden. Auf dem Weg übers weitläufige Gelände erzählt Michaela Killian, dass sich das Interesse für Technik und Mathematik schon in ihrer Kindheit abzeichnete: „Ich wollte wissen, warum etwas so ist, wie es ist, ich wollte die Hintergründe kennen.“
Sie studierte Technische Mathematik und schloss das Studium mit dem Titel Diplom-Ingenieurin ab. Danach erlangte sie ein Doktorat in der Fachrichtung Technische Wissenschaft Maschinenbau am Institut für Mechanik und Mechatronik. 2019 kam sie zu Wien Energie. Den Job als Betriebs-leiterin übernahm sie Anfang 2022 zu einem interessanten Zeitpunkt: „Es geht darum, die Kraftwerke Simmering und Donaustadt zukunftsfit zu machen – durch digitale Transformation und Dekarbonisierung. Wir beginnen schon heuer, das Kraftwerk Donaustadt umzurüsten und 2023 mengen wir – als weltweit erste – in einem Feldtest bis zu 15 Prozent Wasserstoff in unserer Gasturbine bei.“ Nachsatz: „Das ist ein Meilenstein für ein grünes Kraftwerk. Und das ist unser Ziel: die Dekarbonisierung voranzutreiben, den klimafeindlichen CO2-Ausstoß sukzessive zu verringern.“
Mittlerweile stehen wir vor einem Gebäude, vor dem ein Lastwagenzug enorme Mengen Waldhackgut ablädt.
„Wir verwerten Waldhackgut hier in unserem Biomassekraftwerk“, erklärt Michaela Killian, „daraus wird wieder Energie, also Strom und Wärme erzeugt.“
Denn auf dem Gelände des Kraftwerks Simmering gibt es nicht nur die drei riesigen Kraftwerksblöcke, sondern neben dem Biomassekraftwerk auch eine Reihe weiterer kleiner Kraftwerke für erneuerbare Energie, wie u. a. ein Kleinwindrad: „Und im Kraftwerk Donaustadt -haben wir eine riesige Photovoltaikanlage.“
Mitgestalten
Fokussiert ist sie, diszipliniert und ehrgeizig. Eigenschaften, die sich Michaela Killian beim Leistungssport angeeignet bzw. vertieft hat. Zehn Jahre lang, bis zu Beginn des Studiums, spielte sie Volleyball, u. a. in der niederösterreichischen Landesauswahl.
„Da habe ich gelernt, körperlich und psychisch an die Grenzen zu gehen. Wenn ich merke, da geht noch ein bisschen was, dann probiere ich’s auch.“ An die Grenzen geht Michaela Killian etwa beim Bergsteigen. Vor kurzem war sie am Kilimandscharo, knapp 6.000 Meter hoch.
„Beim nächsten Mal soll es ein bisschen höher sein“, lacht sie, „ich will auf den Aconcagua, mit knapp 7.000 Metern der höchste Berg Südamerikas.“
Michaela Killian hat aber auch entspanntere Hobbys: „Ich gehe gern laufen und am liebsten bin ich bei meinem Pferd. Ausreiten, im Wald die Seele baumeln lassen und den Kopf frei bekommen. Das ist wie ein Kurzurlaub.“