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Donnerstag, Januar 16, 2025

Vom Schreiben schreiben – Bestsellerautor Benedict Wells erzählt in „Die Geschichten in uns“ seinen mühevollen Weg zum Schriftsteller

Nach dem Lesen von Wells letztem Roman „Hard Land“ fragte ich mich, warum gerade ein deutscher Autor eine –zugegeben sogar perfekte – Geschichte vom Aufwachsen in einer amerikanischen Kleinstadt geschrieben hat. Deshalb war ich neugierig, etwas aus der Werkstatt dieses – seit „Vom Ende der Einsamkeit“ 2016 – Bestsellerautors zu erfahren. Kurz gesagt: jetzt weiß ich, warum Wells diesen Roman schreiben musste…

Benedict Wells erzählt aber zuerst vom eigenen Aufwachsen. Im Vorwort berichtet der Autor, dass dieses Buch sein gescheiterter Versuch sein, einmal für eine Zeit kein Buch zu schreiben. Nun, wir profitieren ja unentwegt davon, dass Schriftsteller schreiben müssen. Wells hatte freilich eine problematische Kindheit. Da seine Mutter manisch-depressiv war und sein Vater in die Insolvenz abrutschte, kam Wells in ein Heim in Bayern. Schon bald wurden Bücher sein Trost. Im Sommer 2003 zieht er 19-jährig nach Berlin, um dort Autor zu werden. Es folgen Jahre, in denen er viele schlechte Texte schreibt, Brotjobs macht, ehe er mit „Becks letzter Sommer“ seinen ersten Roman herausbringen kann. Seinen Namen Wells hat er sich aus John Irvings „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ geliehen, denn er ist – wie er nicht öffentlich machen wollte, aber eine Zeitschrift aufdeckte – ein Enkel Baldur von Schirachs und Cousin des Schriftstellers und Juristen Ferdinand von Schirach.   

„Hard Land“ ist ein Coming-of-Age-Roman, der in den 80er-Jahren in einer fiktiven amerikanischen Kleinstadt spielt. Wells erkannte, dass Sehnsucht der prägende Begriff der Eighties war, denn schließlich gab es die Angst vor dem Atomkrieg ebenso wie Tschernobyl, Aids und den sauren Regen. Diese Sehnsucht verspürte der Autor auch in seiner Erinnerung in Bayern. Und die USA waren auch in Deutschland mittels Filme und Songs allgegenwärtig. Also siedelte Wells seinen Roman gleich dort an.

„Die Geschichten in uns. Vom Schreiben und vom Lesen“ enthält aber auch sehr viele Reflexionen über das Schreiben von Literatur. Das ist interessant, erfahren wir doch auch von bekannten Romanen und der Arbeitsweise von Schriftstellern. Die praktischen Tipps sind sicher für angehende Autoren hilfreich, so mancher große Roman wäre allerdings nicht zustande gekommen, wäre der Verfasser ihnen gefolgt. Das Nachdenken über Literatur ist freilich immer ein Gewinn.


Benedict Wells: Die Geschichten in uns
Vom Schreiben und vom Lesen
Diogenes, 400 Seiten, € 26,80

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