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Samstag, Februar 22, 2025

Dialog zwischen Wien und München – Daniel Glattauers Roman „In einem Zug“

Ein Buchtipp von Otto Brusatti

Er reizt wieder seinen Plot aus (Stichwort „Nordwind“). Ein erzählender Mann, diesmal schon ein klein wenig jenseits seiner Lebensmitte und von Schreibhemmungen geplagt (seit vielen Jahren nun schon, noch dazu eine für Liebesromane; sowie dauernd ihm gegenüber eine leicht aggressive, straffe, jüngere Frau (tätig zwischen Psycho und Marathon). Sie sitzen voreinander im Zug, zufällig, so scheint es. In den anstehenden viereinhalb Stunden über die Westbahnstrecke von Wien nach München kommt man ins Reden und mehr. Es entstehen langsam Offenheiten. Man tauscht sich immer mehr aus über Zwischenmenschliches, über die seit Dezennien glücklich laufende Ehe des einen sowie über die wechselnden Beziehungen der anderen.

Glattauer schreibt in der Einheit des Ortes und (fast) der Zeit, er – zugegeben – versteht es virtuos, Dialoge vom Vertrautwerden bis zu einer ersten Erotik zu formulieren; zudem wechselt er oft aus dem Gespräch in das Parallel-Denken des Mannes, witzig und ironisch und beklommen. Kaum Aktuelles kommt vor, aber die beiden Menschen (nur gelegentlich unterbrochen) breiten etwas aus voreinander – und sie breiten dabei sich vor allem selbst und viel vom eigenen Scheitern aus. Der Mann ist am Weg, im Verlag zur Verantwortung gezogen zu werden; er ahnt, es müsste alles dort in München schiefgehen. Die Frau wird immer begieriger zu erfahren, wie denn eine gute Beziehung tatsächlich laufen könne, so lange und so treu, wie ihr (zu) oft versichert wird. Zudem kommen einige Alkoholprobleme heraus, zudem wird es immer schwerer, sich weiterhin ohne geradezu kindliche Scheu mit dem Faktor Sex auseinanderzusetzen.

Der Schluss des Buches soll überraschen und verblüffen. Er ist dennoch irgendwie erwartbar gewesen. Der Dialog läuft sich ab Salzburg langsam fest, nachdem er etwa in Amstetten oder noch in Attnang-Puchheim blühte.  

Ein Lesebuch, ein feines, eines zum Dranbleiben während 200 Seiten. Man nimmt den beiden Protagonisten zwar bald nicht mehr alles ab. Der Mann ist ja doch ein bisschen ein Lulli und kein cooler Bestseller-Autor, die Frau reagiert wie die Erfolgs-Tussies in bemühten Magazinen. Manchmal möchte man aber, ganz am Schluss, sogar doch noch wissen, wie es weitergehen würde/könnte/sollte. Und das ist ja für solche Geschichten-Bücher ein großes Kompliment.


Daniel Glattauer: In einem Zug
Roman, Dumont, 204 Seiten, € 24,50

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