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Donnerstag, März 28, 2024

Das beste Beatles-Album aller Zeiten

Rückblickend kann ich selbst kaum glauben, aber es ist wahr: Ich konnte mit der Musik der Beatles lange Zeit nichts anfangen. Vielleicht lag es daran, dass ich nur sehr wenige ihrer Lieder kannte und jene, die mir bekannt waren, finde ich bis heute nicht besonders gelungen (hat sich schon irgendwer jemals „Yellow Submarine“ bis zum Ende angehört?). Vielleicht lag es aber auch am Image der Band. Die in meiner Wahrnehmung braven Beatles waren einfach nicht so interessant wie die Rolling Stones mit ihren wilden Live-Shows und Drogeneskapaden oder auch die Kinks mit ihren zynischen und sozialkritischen Texten.

Meine Wahrnehmung der Beatles änderte sich erst, als ich selbst anfing, Gitarre zu spielen. Meine damaligen Bandmitglieder vergötterten die „Pilzköpfe“ und so hatte ich keine Wahl, als viele ihrer Lieder zu erlernen. Das verbesserte nicht nur mein Gitarrenspiel, sondern bewirkte auch, dass ich den Hype rund um die Beatles immer besser verstand. Bands wie die Kinks oder die Rolling Stones sagen mir zwar auch heute noch mehr zu, aber trotzdem kann ich mich mittlerweile mit gutem Gewissen als Beatles-Fan bezeichnen.

Mit simplen und eingängigen Popsongs wurden The Beatles weltberühmt, im Laufe der Zeit wurde ihr Sound immer komplexer © Apple Corps LTD

Das bringt mich auch schon zum eigentlichen Thema dieses Beitrags – welches ist eigentlich das beste Beatles-Album aller Zeiten? Zuerst eine Warnung: Dieses Thema sorgt unter eingefleischten Fans regelmäßig für heftige Diskussionen. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, spricht sich für „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ (kurz: „Sgt. Pepper“) aus. Das Werk aus dem Jahr 1967 gilt völlig zurecht als musikalischer sowie popkultureller Meilenstein und wird von Musik-JournalistInnen gerne als eines der besten Alben aller Zeiten bezeichnet.

Während ich den Hype um „Sgt. Pepper“ gut nachvollziehen kann, zählt es für mich dennoch nicht zu der besten Musik, die die Beatles jemals kreiert haben. Ihr mit Abstand bestes Werk ist aus meiner Sicht ganz klar „Rubber Soul“, das im Jahr 1965 erschienen ist (in den USA wurde eine abgewandelte Version des Albums veröffentlicht). Das Album markiert den Beginn einer spannenden Übergangsphase, in der die Beatles ihr volles Potenzial als Musiker und Songwriter entwickeln sollten. Simple Popsongs wie „I Wanna Hold Your Hand“, „Twist and Shout“ oder „She Loves You“ hatten die Beatles zu Weltstars gemacht. Doch anstatt diese erfolgreiche Schiene weiter zu verfolgen, nutzen sie ihre Position am Musikolymp, um neue Instrumente beziehungsweise Stilrichtungen auszuprobieren und sich musikalisch weiter zu entwickeln. Auf „Rubber Soul“ wurden die Beatles gewissermaßen zu den Beatles, die wir heute alle so lieben. Wegweisende Alben wie „Sgt. Pepper“ oder „Abbey Road“ wären ohne „Rubber Soul“ wohl gar nicht möglich gewesen.

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„Norwegian Wood“ ist einer der ersten Popsongs, in dem eine Sitar zu hören ist.

Schon der erste Song auf dem Album – „Drive My Car“ – ist ein echter Knaller. Im Text finden sich übrigens einige sexuelle Anspielungen – laut Paul McCartney war „Drive my car“ in der frühen Blues-Szene eine Umschreibung für Geschlechtsverkehr. Mit „Norwegian Wood“ folgt mein absolutes Lieblingslied der Beatles. Es gilt als einer der ersten Popsongs überhaupt, in dem eine Sitar zu hören ist (gespielt von George Harrison). Das Lied beschreibt den Abend bei einer Frau und ist ein gutes Beispiel für den Humor, den man in viele Texten John Lennons findet: „She told me she worked in the morning and started to laugh. I told her I didn’t and crawled off to sleep in the bath“.

Ein weiteres Highlight ist zweifellos „Nowhere Man“, mit dem wunderschönen mehrstimmigen Gesang. Hier zeigen sich die Beatles von ihrer melancholischen Seite – es ist einer ihrer ersten Songs, der sich nicht um das Thema Liebe dreht. Die Textzeile „He’s a real nowhere man. Sitting in his nowhere land. Making all his nowhere plans for nobody“ bringt auch die aktuelle Coronalage ziemlich gut auf den Punkt.

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Auf „Nowhere Man“ zeigen sich die Beatles von ihrer melancholischen Seite.

Ein weiteres Merkmal, das „Rubber Soul“ so besonders macht, ist der Umstand, dass es von Folkmusik geprägt ist: „Zu dieser Zeit waren wir alle stark von Bob Dylan beeinflusst“, erzählte McCartney einmal in einem Interview. Deutlich wird dies etwa bei „Michelle“ oder beim wirklich großartigen Song „I’m Looking Through You“, in dem McCartney eine Beziehungskrise verarbeitet. Mit Passagen wie „Why, tell me why did you not treat me right? Love has a nasty habit of disappearing overnight“ spricht er wohl vielen von uns aus der Seele.

Mit „Think for Yourself“ und dem grandiosen „If I Needed Someone“ steuerte auch Harrison zwei Kompositionen bei. Letztere ist hörbar vom Sound der Byrds beeinflusst. Spätestens jetzt mussten Lennon und McCartney erkennen, dass sich ein weiterer talentierter Songwriter in ihren Reihen befindet. Übrigens ein Umstand, der die bandinternen Konflikte Jahre später weiter befeuern sollte. Für Harrison blieb „Rubber Soul“ jedenfalls sein Lieblingsalbum der Beatles, wie er Jahre später in einem Interview verriet.

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Die US-Band The Byrds inspirierte George Harrison zu „If I Needed Someone“.

Aber auch andere MusikerInnen wurden stark von dem Werk beeinflusst. Darunter etwa der geniale Brian Wilson, seines Zeichens Songwriter und Mastermind der Beach Boys. Er war so begeistert vom neuen Sound der Beatles, dass er sich vornahm, die Band aus Liverpool mit dem neuen Beach Boys-Album zu übertrumpfen. So entstand schließlich „Pet Sounds“ – ein Werk, das ebenfalls in die Musikgeschichte eingehen sollte, aber über diesen Meilenstein schreibe ich vielleicht einmal an einer anderen Stelle.

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