Bild: ©Carina Antl
Barbara Kaudelka schnattert über den Wiener Lido.
Geschätzte Leser*innen, heute gibt’s ein kleines Rätsel. Ich nehme Sie mit an ein Platzerl, das Kurioses mit mir anstellt: Es lässt mein Herz höherschlagen und sorgt gleichzeitig für Tiefenentspannung. Wohin es geht? Folgen Sie den Hinweisen, mach ma eine Schnitzeljagd. Schnitzel gibt’s „dort“ übrigens auch.
Los geht’s: I steh in der Hitz an der Straßenkreuzung. Gepäck geschultert. Am Praterstern drängen sich Menschenmassen. Es wurlt wie in einem Bienenstock. Horror. Hätte ich anno 1910 hier am Praterstern eine blaue Flagge gehisst gesehen, wär ich gleich wieder umgekehrt, denn die signalisierte damals, dass unser heutiges Ziel ebenso überlaufen war. Keine blaue Fahne, dafür sehe ich für ein paar Stationen rot. Kurz darauf wird es deutlich grüner. Flotten Schrittes setze ich mich in Bewegung. Meine Füße schmerzen etwas, hab neue Sandalen an. Ein kurzer Marsch, noch eine schmale Brücke überwunden, ein kleines Stück durch die Vegetation – huch, eine Schlange am Weg – rasch durchs Nadelöhr geschlüpft und … wir sind am Ziel.
ln all seiner Pracht liegt es vor mir, üppig in Sommerschnee getaucht. So nennt man diese für Pappeln so typischen weißen Flocken. Bisserl lästig, das Zeug. Bleibt gern an eingecremter Haut picken. Oder am Cornetto. Dem Eis, nicht dem trainierten Twentysomething, der grad in Neon-Speedo (wie, die sind wieder modern?!) seine Homies im XL-Freiluftschach paniert. In der heißen Jahreszeit zieht es mich oft zum Schreiben hierher. Die sanfte Brise rauscht durch die Baumkronen, der Stress der Stadt fällt langsam von mir ab. Ich schlendere entlang der Promenade, der Duft von Pommes und glücklicher Kindheit liegt in der Luft. An jeder Ecke wird gelacht, Seiten werden umgeblättert, Nasen eingeschmiert, Atouts geschmettert und Bummerln geschrieben, Kästchen emsig auf- und zugesperrt.
Die Sonne glitzert am Wasser, wer nicht plantscht, spielt Volleyball, klettert durch den Hochseilgarten, mützelt im Sonnenschirm-Schatten oder führt Schmäh mit den gut gelaunten Badewaschln, deren unbestreitbarer Charme blitzschnell von Baywatch zu Weißer Hai changiert, wenn’s ein Beckenrandhüpfer mal wieder wissen will. Ich lasse mich nieder. Mein Lager ist heute im Westen, unterhalb der weißen Häupter der Stammesältesten, die über Generationen im Zirkel der Kabanen die uralte Kunst des Seelebaumelnlassens überliefern. Ein sonnengegerbtes Gesicht lächelt mir aus weißer Uniform entgegen: „Gnädigste, do sans jo wieda! Heit wirds a Prachttagerl.“
Wie recht er hat, mein Lieblingswaschl. Vor mir liegen Eiskaffee, Kreuzworträtsel, danubische Abkühlung, Paradeissalat und endorphingetränkte Daseinsfreude. Und das Kasperltheater um 15 Uhr neben dem Minigolfplatz. Das gehört dazu! I steh aufs Gänsehäufel, auf den Praterstern pfeif i!
Barbara Kaudelka ist Schauspielerin, Tonstudiosprecherin, Medienmensch und vormagazin-Kolumnistin.
Bild: ©Michael Taborsky