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Montag, November 25, 2024

Hex, hex!

Bild: ©Carina Antl

Barbara Kaudelka poltergeistert leidenschaftlich durch teuflisch guten Retro-Grusel.

Blutsauger, Ungeheuer, furchterregende Fratzen auf hohlen Kürbisköpfen – was sich liest wie ein Stillleben der geopolitischen Gegenwart, benennt typische Figuren einer Tradition, die in den letzten Jahren auch in unseren Breitengraden an Beliebtheit gewonnen hat: Halloween. 

An den gruseligen Feierlichkeiten des 31. Oktober scheiden sich die Geister – für manche ein (im wahrsten Sinne) Heiden-Spaß, für andere verzichtbarer, kapitalistischer US-Import. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass sogar im Pandemiejahr 2021 allein in Wien über zehn Millionen Euro für einschlägigen Süßkram, Dekoartikel und Kostüme ausgegeben wurden, darf man davon ausgehen, dass es wohl von beidem etwas hat. Es lässt sich trefflich darüber streiten, ob es angesichts des Horrors, der sich derzeit in der Welt ereignet, tatsächlich noch künstlich herbeigeführte Schauerlichkeiten braucht. Monströse Energiepreise lassen sowieso das Blut in den Adern gefrieren, Teuerungen durchziehen sämtliche Lebensbereiche wie zäher Nebel das Moor von Baskerville. Und richtet man den Blick gen Osten, macht sich unwillkürlich beklemmende Grabesstimmung breit. Und doch: Die Lust auf Gänsehaut boomt. Yay or nay? Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust.

Als „Early Millenial“ wuchs ich in einer Zeit auf, in der es anfangs weder Smartphones noch Internet für jedermann gab; geprägt haben uns junge Finsterlinge damals die Horror-Flicks der 90er Jahre, die ich mir mit „getuntem“ Videotheks-Ausweis ebendort auslieh und spätnachts heimlich auf VHS ansah. Die düstere Poesie Edgar Allen Poes war mein Bravoheftl und die Klänge von Type O Negative ließen mich Träumen. Sie merken, ich komme ins Schwärmen. Fledermäuse sind bis heute meine Lieblingstiere, mein Arbeitszimmer ist mit Dorés Kreaturen der „Göttlichen Komödie“ bebildert und die Helden meiner Jugend waren Dracula und die Addams Family – lang bevor Halloween in Österreich Einzug hielt. Die Faszination fürs Schaurig-Schöne ist geblieben und auch der Spaß am kreativ kostümierten Herumspuken ist noch nicht in Pension. Jedoch die Dosis macht das Gift. Hab ich in meinen Dreißigern noch mit Euphorie legendäre Halloween-Feste geschmissen, muss es heute nicht mehr die große Sause sein. Auch nicht das aufwendige Kostüm, an dem man schon Wochen vorher bastelt. Heute stecken mir Maskenbildner beim Film nicht mehr augenzwinkernd Kunstblut und Latexwunden zu, weil sie um meine kleine Leidenschaft wissen. Heute koche ich daheim für Freunde ein Gruselmenü und trinke meinen allmorgendlichen Kaffee aus einem Häferl, das aussieht wie ein kleiner, schwarzer Hexenkessel mit der Aufschrift „witches’ brew“. Doch selbst, wenn meine wilden Gruseljahre hinter mir liegen, habe ich mir noch nie so sehr gewünscht, tatsächlich hexen zu können, um mit einer Prise Magie das Diesseits vom ganz realen Grauen zu befreien.


Barbara Kaudelka

Barbara Kaudelka ist Schauspielerin, Tonstudiosprecherin, Medienmensch und vormagazin-Kolumnistin.

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