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Wien
Freitag, November 22, 2024

Dufte im Dreivierteltakt

Bild: ©Carina Antl

Barbara Kaudelka über grenzenlosen Schmäh.

Prosit Neujahr, mein Lieblingspiefkerl!“ „Frohes Neues, mein Lieblingsötzi!“ So begrüßen einander C., meine Freundin aus Jugendtagen, und ich zu Beginn unseres alljährlichen Silvester-Telefonplauschs. Dieser findet traditionell im Anschluss ans Neujahrskonzert statt. Unter allen Um- und Zuständen: Egal, ob die vergangene Nacht durchzecht, durchtanzt oder durchgeschlafen wurde, C. und ich hören einander am ersten Tag des jungfräulichen Jahres. Das haben wir einander vor vielen Monden in Blutsschwesternschaft geschworen, als C. zu Gymnasialzeiten mit ihren Eltern retour in ihr Geburtsland Deutschland zog. Bis heute verbinden uns eine eherne Freundschaft und unser schräger Humor. Von niemand sonst lassert ich mich ungesühnt als Mumie bezeichnen. Der Kosename mit Referenz auf den archäologischen Fund am Similaun-Gletscher ist der phonetischen Ähnlichkeit zum Wörtchen „Ösi“ geschuldet. C. und ich waren uns damals einig, dass der Spitzname mehr sophisticated war als das schnöde „Ösi“. Dabei ist mir sehr wohl bewusst, dass ich auch ein „Schluchtenscheißerl“ hätte werden können. Von daher: alles g’schmeidig, alles knorke.

Während man also noch beschwingt von den Klängen des Donauwalzers (oder dem Restspiegel der Silvesternacht) mit dem Telefon am Ohr durch die Wohnung wippt, erzählt man einander Aufregendes, Schönes, Mühsames und Neues aus dem alten Jahr. Schulanekdoten ihrer Kids, Geschichten aus Wien und dazwischen unser liebevolles, nachbarschaftliches Auf-die-Schaufel-Nehmen, das uns beiden so höllischen Spaß bereitet. Lachwurzen dies- und jenseits der Landesgrenze. Zwei Stunden vergehen im Flug. Zum Abschluss („Same procedure as every year, James!“) lassen wir die andere noch wissen, an welchen Neujahrsvorsätzen wir dieses Jahr zu scheitern gedenken. Natürlich sind die Evergreens auch 2023 mit dabei: mehr Grünzeug auf dem Teller, weniger Stress im Job und die altbekannten „Wohlfühlpfündchen“, die man heuer statt Autoschlüsseln und Regenschirmen verlieren will. Und während die Vorsätze herausschießen wie Feuerwerkskaskaden in der Silvesternacht, merke ich, wie sehr ich C. vermisse. Und wie verdammt lange ich sie schon nicht mehr gesehen habe. Da fasse ich einen beherzten Entschluss: „Bevor noch weitere *hüstel* Jahre vergehen und ich mich Ötzi optisch und konstitutionell tatsächlich annähere, wird’s Zeit für ein Wiedersehen!“ Meine Freundin jubelt: „Au ja! Und als Ansporn: Wer als Erste bis Juli die Top Drei ihrer Neujahrsvorsätze umgesetzt hat, ist Gastgeberin!“ Siegessicher feixe ich ins Telefon: „Na, dann seh ma uns in Wien zum Sommerspritzwein!“ C. lacht: „Hast du immer noch dieselbe Adresse?“ Ich grinse breit, bestätigt in meiner Triumphfantasie.
„Nur damit ich weiß, wohin ich den Berlin-Reiseführer schicken soll!“ Was soll ich sagen, ich freu mich auf mein Lieblingspiefkerl.


Barbara Kaudelka, Schauspielerin, Tonstudiosprecherin, Medienmensch und vormagazin-Kolumnistin über grenzenlosen Schmäh.

Barbara Kaudelka ist Schauspielerin, Tonstudiosprecherin, Medienmensch und vormagazin-Kolumnistin.

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